Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 26 (26)

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Der Wandel unserer bundesstaatlichen Verfassung von 1867 
bis jetzt ist für diese Bedeutung des Gewohnheitsrechtes eines 
der schlagendsten Beispiele. Von dem geltenden Verfassungs- 
rechte wird der schwerlich eine richtige Vorstellung bekommen, 
der es etwa nur aus dem Texte der Reichsverfassung kennen 
lernen wollte. Wir befinden uns im lebendigen Flusse einer Ent- 
wicklung, die die Reichsverfassung zu etwas ganz anderem macht, 
als sie ursprünglich sein sollte. 
Dabei ein eigentümlicher Gegensatz zwischen der Richtung 
der Gesetzgebung auf der einen, der von Gewohnheitsrecht und 
Rechtswissenschaft auf der andern Seite. Die Gesetzgebung be- 
wegt sich in Kurven und zeigt bisweilen starke föderative Rück- 
schläge, deren bedeutendste die Versailler Verträge und die 
Frankensteinsche Klausel waren. Gewohnheitsrecht und Rechts- 
wissenschaft zeigen dagegen eine sich ziemlich einheitlich fort- 
entwickelnde unitarische Richtung. 
Nach der Zertrümmerung des alten deutschen Bundes und 
der damit verbundenen Zersprengung der großdeutschen Partei 
standen sich im wesentlichen zwei Auffassungen gegenüber. Die 
eine war die der überzeugten Unitarier, die das Heil der deut- 
schen Einheitsbewegung nur in der Nachahmung des italienischen 
Vorbildes, in der Aufsaugung der deutschen Staaten durch 
Preußen sahen, TREITSCHKE war ihr hauptsächlichster publizisti- 
scher Vertreter. Im Gegensatze dazu erblickte die bundesstaat- 
liche Richtung ihr Ideal in einer über allen Bundesstaaten ste- 
henden konstitutionell-monarchischen Bundesstaatsgewaltnach dem 
Vorbilde der Reichsverfassung von 1849. 
Keine dieser beiden Richtungen hat sich glatt durchgesetzt. 
Dem Unitarismus wurde mit der Einverleibung der neuen Pro- 
vinzen ein Zugeständnis gemacht, im übrigen beruhigte er sich 
damit, daß der Zustand, den man nun erreicht, nur ein Ueber- 
gang sein könne zum vollen Einheitsstaate. Nicht ganz so schroff 
wurzelte doch in demselben Ideenkreise der Bismarcksche Ver- 
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