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macht, daß die einzig richtige Lösung schließlich doch die
Ehescheidung, d. h. die Trennung von Staat und Kirche ist,
so dürfte das der bedeutsamste Gewinn sein, der augenblick-
lich gemacht werden kann.
3. Die Trennung von Staat und Kirche ist die Frage der
Zukunft. Jeder Teil wird bei dieser Trennung das wieder
gewinnen, was er verloren hat, und das er in seinen Träumen
immer wieder ersehnt.
Der Staat kann dann seine ganze Kraft und Macht in die
eigenen Aufgaben setzen und wird nicht mehr abgelenkt und
lahmgelegt durch einen verbündeten Gegner * im eigenen
Haus. Die Kirche aber gewinnt die Freiheit wieder, die sie
seinerzeit allerdings nicht ohne Verschulden eingebüßt hat;
und von der Herrlichkeit dieser Welt nicht mehr erfüllt, wird
sie sich lediglich auf ihre eigene innere Kraft stützen und
sittliche Triumphe feiern, welche ihr niemand mehr gönnen wird
als der Staat, der seine eigene Grundlage dadurch nur be-
festigt sieht. Das Mißbehagen der Kirche, die nach den Ge-
setzen des menschlichen Fühblens ihre äußere Machtstellung
sicherlich nur unfreiwillig aufgibt, wird auf die Dauer durch
die sittliche Freude aller Guten genügend ausgeglichen werden.
Ich weiß, daß wir von diesem Ziel noch himmelweit ent-
fernt sind; ich weiß aber auch, daß man in der Politik nicht
von der Hand in den Mund leben, sondern sich weite Ziele
stecken soll. Die Entwickelung kommt auch nicht wie ein hei-
liges Donnerwetter über uns, sondern beruht auf vorbereitenden
und ausführenden Taten. Wer ernten will, muß sähen. Man
darf sich, und damit führe ich in Resignation und Hoffnung
zugleich das Bild zu Ende, daran nicht stoßen, daß die Saat
2 „Daß das wenigstens die kath. Kirche ist, hat noch der Syllabus von
1864 evident bewiesen. Die Stellung der protest. Kirche gibt zu Ausstel-
lungen keinen Anlaß.‘