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Er hat das Veto, wenn er es will, gedeckt durch die verfassungs-
mäßige Ministerverantwortlichkeit. Es handelt sich nicht bloß
um die Lex imperfecta der Ausfertigungspflicht, die nicht er-
zwungen werden kann, sondern um das Recht des Kaisers, seine
Unterschrift zu verweigern unter Verantwortlichkeit seines ver-
fassungsmäßigen Ratgebers, wenn eine Gesetzesvorlage politisch
schädlich erscheint.
Daß die Reichsverfassung nur ein Veto des Königs von
Preußen im Bundesrate für gewisse Fälle kennt, ist keineswegs
ein Argumentum e contrario gegen ein allgemeines kaiserliches
Veto, sondern erklärt sich geschichtlich. Jene Artikel stammen
aus einer Zeit der Verfassungsbildung, da es überhaupt noch
kein Kaisertum als verfassungsmäßiges Organ gab, sondern nur
preußische Vorrechte im Bunde. Sie sind dann auch unter ver-
änderten Verhältnissen stehen geblieben und keineswegs gleich-
giltig. Denn sie sichern dem Könige von Preußen und damit
dem deutschen Kaiser schon ein Veto im Bundesrate für alle
wichtigeren Gesetzesvorlagen, Verfassungsänderungen, Militär-
wesen, Kriegsmarine, Zölle und die fünf indirekten Verbrauchs-
abgaben und machen damit das kaiserliche Veto überflüssig.
Wenn das allgemeine kaiserliche Veto sich bisher noch nicht
stärker bis zu allgemeiner Anerkennung in zahlreicheren Prä-
zedenzfällen herausgebildet hat, so liegt dies außer dem porliti-
schen Einflusse Preußens im Bundesrate wesentlich an diesem
preußischen Veto, das die Geltendmachung der kaiserlichen Rechte
entbehrlich erscheinen läßt.
Auf dem Gebiete der Regierung lag in den ursprünglichen
Bismarckschen Plänen der Ausschluß jeder eigenen Bundesregie-
rung, eine solche sollte es nur geben im Bundesrate und durch
die einzelnen Bundesstaaten. Allerdings hat sich später das
Kaisertum mit seiner Regierungsgewalt dazwischen geschoben.
Aber geblieben ist die Tatsache, daß es im Reiche zwei Träger
der Regierungsgewalt gibt, Bundesrat und Kaiser, die mit ihren Re-