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steuer fordern. Preußen hat gar keine Veranlassung, lebens-
unfähige Kleinstaaten, die niemals ein eigenes Eisenbahnnetz unter-
halten könnten, durch Beteiligung an seinen eigenen Einnahmen
zu unterstützen.
Erweisen sich aber schließlich einzelne Staaten als finanziell
leistungsunfähig, so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in Akzes-
sionsverträgen mit Preußen ihre Zuflucht zu suchen.
Das führt aber auf eine weitere Betätigung des Einheits-
dranges, auf die neben der Reichsverfassung einhergehende ver-
tragsmäßige Einigung.
Schon unmittelbar nach Begründung des norddeutschen Bundes
hat ein Staat, der sich den neuen Lasten finanziell nicht gewachsen
fühlte, das Fürstentum Waldeck 1867 durch Akzessionsvertrag
seine ganze Regierung und Verwaltung, vorbehaltlich einiger
fürstlichen Sonder- und Ehrenrechte, vertragsmäßig auf Preußen
übertragen. Der Staat besteht fort, aber die Ausübung fast
seiner gesamten Staatsgewalt ist auf Preußen übergegangen.
Von weit größerer Bedeutung als diese bisher vereinzelte
Erscheinung ist die umfassendere vertragsmäßige Einigung für
einzelne Verwaltungsgebiete unter preußischer Führung.
Auf den verschiedensten Gebieten dehnt sich die preußische
Verwaltung über die Grenzen des preußischen Staates aus®.
Steht der größte deutsche Einzelstaat bei der engen Verbindung
seiner Krone mit dem Kaisertume und seiner obersten Verwal-
tung mit der des Reiches an sich schon im Dienste unitarischer
Neigungen, so muß das erst recht der Fall sein, wenn er sich
über seine Grenzen hinaus entwickelt und dadurch weiter in
Deutschland hineinwächst. Denn preußischer Partikularismus ist
ein Widerspruch in sich selbst, alles, was der preußische Staat
erwirbt, dient der nationalen Einheit.
Das war der ursprüngliche Gedanke Bismarckscher Bundes-
8 Vgl. meinen Aufsatz: Preußische Verwaltung in Deutschland außer-
halb der organisierten Reichsgewalt im Verwaltungsarchive Bd. 14, S. 341 ff.