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Buchstabe geblieben. Die Verpflichtung der Einzelstaaten, ihre
Eisenbahnen wie ein einheitliches Netz zu verwalten, mutet heute
fast wie Traum an. Wirkliches Leben hätte die deutsche Einheit
auf dem Gebiete der Eisenbahnen gewinnen können, wenn Bis-
marcks Reichseisenbahnprojekt der Verstaatlichung aller Eisen-
bahnen Deutschlands mit Ausnahme der bayrischen für das Reich
verwirklicht worden wäre. Der Plan ist an dem Widerstande
der Mittelstaaten, besonders Bayerns, die für ihre wirtschaftliche
Selbständigkeit fürchteten, gescheitert. An Preußens Finanzen
kann man schmerzlich ahnen, was das Reich an dem Reichs-
eisenbahnprojekte verloren hat — die Reichsfinanzreformen wären
vielleicht nicht notwendig gewesen. Aber es war damit auch dem
Ausbaue der verfassungsmäßigen Einheit der deutschen Eisen-
bahnen für die Zukunft ein Riegel vorgeschoben.
Nach dem Scheitern des Reichseisenbahnprojektes gingen
Preußen und die Mittelstaaten selbständig mit der Verstaatlichung
vor. Der Erfolg war verschieden. Glänzend für Preußen, so
daß Preußens Finanzwirtschaft geradezu auf den Eisenbahnüber-
schüssen beruht. Für die Mittelstaaten ergab sich im Durch-
schnitte kaum eine kümmerliche Verzinsung des Anlagekapitals.
Dabei mußte sich die preußische Eisenbahnverwaltung auch über
die Masse der zerrissenen Kleinstaaten mit erstrecken. Eigene
kleinstaatliche Eisenbahnnetze waren ausgeschlossen. Wenn Preus-
sen die Eisenbahnen nicht übernommen hätte, wären die Privat-
bahngesellschaften bestehen geblieben. Diese hätten auch den
Kleinstaaten von ihren Einnahmen nichts abgegeben, andererseits
aber den Bedürfnissen des Verkehrs bei weitem nicht in dem
Maße entsprechen können als das große geschlossene preußische
Eisenbahnnetz. Finanziell hätte den Kleinstaaten nur die Ver-
wirklichung des Reichseisenbahnprojektes geholfen.
In der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft hat sich
seit 1896 wie einst in den Anfängen des Zollvereins ganz Hessen
unter Beteiligung an den Einnahmen vertragsmäßig dem preußi-