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von Sonderinteressen vergeben werden darf.“ Dieser Satz trifft
nicht nur die Angehörigen der nichtmarokkanischen Staaten in
ihren Beziehungen zum Scherifischen Reiche, sondern er schließt
auch die Vergebung an marokkanische Untertanen aus; auch
sie sind Sonderinteressenten im Sinne des Artikels 105. Prak-
tisch wäre zudem eine andere Auslegung nicht unbedenklich, da
Angehörige nichtmarokkanischer Mächte durch vorgeschobene
marokkanische Strohmänner den Zweck des Artikels illusorisch
machen könnten. Der Scherifischen Regierung ist es unverwehrt,
„wegen der Ausführung öffentlicher Dienste oder öffentlicher
Arbeiten wie Landstraßen, Eisenbahnen, Häfen, Telegraphen u. a.
auswärtige Kapitalien oder auswärtige Industrie in Anspruch
zu nehmen“. Für solche Fälle „behalten sich die Signatarmächte
das Recht vor, darüber zu wachen, daß die Staatsgewalt über
diese großen Unternehmungen von allgemeinem Interesse ge-
wahrt bleibt“ (Artikel 106). Will sich die marokkanische Re-
gierung der finanziellen oder industriellen Unterstützung des Aus-
landes bedienen, so kann sie die Konzessionen für diese öffent-
lichen Dienste und Arbeiten nur erteilen nach „dem Grundsatze
der öffentlichen Submission ohne Ansehung der Nationalität für
alle Gegenstände, für die dieser Grundsatz nach den Regeln der
fremden Gesetzgebungen zur Anwendung kommt“. Das Gleiche
gilt allgemein bezüglich der für „Staatslieferungen“ erteilten
Konzessionen (Artikel 107). Bei allen öffentlichen Diensten und
Staatslieferungen, die nach den Regeln der fremden Gesetzge-
bungen nicht im Wege der öffentlichen Submission vergeben
werden, ist die marokkanische Regierung nach wie vor zu frei-
händiger Vergebung berechtigt. Um die loyale Durchführung
des Submissionsprinzips su sichern und jede Umgehung zu Gun-
sten von Angehörigen einer Vertragsmacht nach Möglichkeit
auszuschließen, werden in Artikel 108—110 dem diplomatischen
Korps ganz bestimmte Rechte zugesprochen; das diplomatische
Korps überwacht seine einzelnen Mitglieder und die marokkanische