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und der Sultan übernimmt vertraglich die Pflicht, sich von die-
sem Leitgedanken führen zu lassen. Der Artikel 112 verpflichtet
den Sultan, ein Berggesetz zu erlassen „im Sinne und Geiste
der in anderen Ländern geltenden Bergbaugesetzgebungen“
(v. Bar).
Der marokkanischen Regierung ist damit eine vertragsmäßige,
also rechtswirksame Direktive gegeben *”. Der „in der Wortfas-
sung knappe“? Artikel 112 statuiert auch in seinem zweiten
Satze eine Rechtspflicht Marokkos**. Die Erfüllung dieser
Rechtspflicht ist in das gewissenhafte Ermessen des Sultans ge-
stellt. Die Konferenz hat für die Durchführung der Vorschrift
keine Sicherungsmaßregeln getroffen, sondern sie dem pflicht-
mäßigen Ermessen des Sultans und seiner Vertragstreue über-
lassen. Das ist keine Auslegung, durch welche alles der Will-
kür des Sultans überlassen bliebe. Willkür und Vertragserfüllung
nach pflichtmäßigem Ermessen sind verschiedene Dinge. In seinem
dritten Gutachten zieht KOHLER mit Recht eine Parallele zwischen
den von einzelnen Balkanstaaten übernommenen Verpflichtungen
und Artikel 112 der Algecirasakte: „Daß es etwas ganz anderes
ist, zu sagen, der Herrscher verpflichtet sich, nur ein solches
Gesetz zu erlassen, das objektiv gewisse Grundsätze enthält, oder
zu sagen, der Herrscher verpflichtet sich, das Gesetz subjektiv
den Mächten vorzulegen, und von ihnen als mit den europäischen
Bestimmungen übereinstimmend erklären zu lassen, ist klar und
sicher, und nichtsdestoweniger treten immer wieder derartige Miß-
verständnisse zutage. Wenn in einem Staatsvertrage gesagt wird,
daß ein Staat den Untertanen Religionsfreiheit zuerkennen solle,
oder daß er seine Gesetzgebung so einrichten werde, daß sie
entsprechende Bestimmungen für den Schutz ihrer Kirchen ent-
halte, so hat der Staat seine Verpflichtung erfüllt, wenn er der-
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#2 v, MARTITZ, Spalte 263. *#8 v, JAGEMANN in seinem Gutachten.
4 Zutreffend FLEINER in seinem Gutachten.
#5 ZORN In seinem Gutachten v. 2. Juni 1909.