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steht ihm durchaus frei — er wählt diejenigen, welche ihm gegen-
über den lokalen Bedingungen, den ökonomischen, industriellen
und politischen Forderungen des Landes am geeignetsten er-
scheinen“. J. WESTLAKE umschreibt die Wendung „s’inspirera
des legislations etrangeres existant sur la matiere“ mit „wird sich
von dem Ordnungsgeist und der Rechtlichkeit, der diese Materie
in Europa beherrscht, inspirieren lassen“°?®. Das ist der Rechts-
inhalt des Artikels 112 Satz 2. Trotz seiner reichlich vagen und
unbestimmten Fassung bedeutet er juristisch und praktisch mehr
als eine „freundliche Wortwendung ohne juristischen Inhalt“ 5°.
Auch Zorn charakterisiert den Satz nicht als eine schöne Phrase,
sondern als „eine sogenannte Sollvorschrift“.
Nach Asser kann das vom Sultan zu erlassende Berggesetz
erst dann „als rechtskräftig erachtet werden, wenn sich für die
Mitkontrahenten des Sultans nach einer Prüfung ergeben hat,
daß der Firman den Bestimmungen der Akte genügt, und dieses
in gehöriger Form konstatiert wird“. Die nichtmarokkanischen
Vertragsmächte sind nach seiner Auffassung „als Mitkontrahen-
ten des Sultans berufen, zu untersuchen, ob bei der Ausführung
des ihm verliehenen Auftrags der Sultan den Bedingungen des
Artikels 112 entsprochen hat, und wenn dieses nach ihrem Ur-
teil nicht der Fall ist, dem Gesetz die Gültigkeit abzusprechen*.
Aehnlich schreibt v. JAGEMANN in seinem Gutachten vom
3. März 1910: „Das Gesetz darf nicht erlassen werden, ehe
durch Einvernehmen mit den anderen Vertragsmächten und nach
deren loyaler Prüfung diese Inspiration ®* als richtig und ge-
nügend anerkannt ist“.
Weder aus dem Text der Algecirasakte noch aus den Kon-
52 Zustimmend v. MaArTıTZ Spalte 263.
5? Das Futurum s’inspirera ist „eine höfliche Form“ der Auferlegung
und Uebernahme einer Rechtspflicht. Richtig FLEINER über die sprachliche
Seite des Artikels 112 Satz 2, insbesondere die Bedeutung des Futurums.
Vgl. Artikel 7 und Artikel 40 der Akte.
54 s’jnspirera.