35 —_
und nach Möglichkeit mit den freien Gaben der Liebe auszu-
kommen suchen.
Schon der Rechtszwang, welcher bei Baupflicht und Stol-
gebühren besteht, ist ein mißlicher. Seit der Umlagepflicht wird
das Verhältnis nicht gebessert, sondern im selben Maße ver-
schlimmert, in dem dieser weltlicher, nachdrücklicher und um-
fassender ist. Sobald die Kirche den Boden der freien Lei-
stungen verläßt, appelliert sie an ein psychologisches Element,
welches überall, wo es sich breit macht, übelste Wirkungen her-
vorbringt, an den Fanatismus. Er ist im Gegensatz
zur wahren kirchlichen Begeisterung, welche ein innerer Vor-
gang ist, gerade der weltliche Stachel im kirchlichen Lieben,
denn er rüttelt die niederen Instinkte und Leidenschaften auf.
Im Fanatismus ist stets ein stiller Instinkt nach dem Golde
verborgen. Für ihn aber ist die Umlage die erweckende Stimme.
Solche grundsätzliche Entfernung von dem Boden der freien
Gaben der Liebe äußert aller Voraussicht nach auch auf die
Bereitwilligkeit zu solchen Gaben ungünstige Wirkungen.
Die kleinen, um des persönlichen Seelenheils willen hingegebenen
Stiftungen, welche besonders in der katholischen Kirche einen
großen Bestand freier Zuwendungen bilden, werden sich wohl
noch weiter fortsetzen, die größeren, um der (femeinschaft willen
geleisteten Stiftungen aber, an denen unsere Kirchen ohnehin
Mangel leiden, werden voraussichtlich völlig eingehen, wenn
einmal das weite Feld der Umlage ausgebaut zu werden beginnt.
Denn da heißt es nun: Wenn doch alle zahlen müssen, wes-
halb soll da der einzelne noch Opfer bringen ?
Und sehen wir nach der praktischen Durchführung des
Umlagezwanges, so zeigt sich kein schönes Bild. Den Unwil-
ligen in kirchlichen Sachen mit physischem Zwang zu nötigen,
ist schon inmer dem Geist der Kirchen entgegen. Häßlich
aber wird der Zwang und ganz verabscheuungswürdig, wenn er
am ungünstig Situierten ausgeübt wird und vermeiden wird sich
3*