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akte ist in diesem Punkte keine grundsätzliche Neuerung einge-
führt. Schon in Artikel 17 der Madrider Konvention vom
3. Juli 1880 war das Prinzip der offenen Tür, war die Gleich-
stellung der Signatarmächte in kommerzieller Beziehung gesichert.
Im übrigen stand auch die ganze Aktion der Mächte in der
durch die Madrider Konvention geregelten Schutzrechtsfrage unter
dem einen höheren Gesichtspunkte, der damals auch oft und
deutlich ausgesprochen wurde, daß Marokko politisch unabhängig
sein und bleiben müsse #, Weder in Madrid noch in Algeciras
ist dem Sultan das freie Selbstbestimmungsrecht grundsätzlich
aberkannt worden. Das souveräne Marokko verhandelte mit
souveränen Staaten.
Angesichts der zahlreichen Beschränkungen, welche die
Algecirasakte für Marokko gebracht hat, mag der Politiker von
einer Vormundschaft der Mächte über Marokko sprechen. Für
die rechtliche Beurteilung sind alle jene Beschränkungen als Aus-
nahmen zu betrachten und ist der Sultan nicht nur dem Namen
nach Souverän geblieben.
Es kann keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß nach
dem Inhalt der Algecirasakte die marokkanische Regierung be-
rechtigt ist, von sich aus ohne Mitwirkung der übrigen Vertrags-
mächte ein Berggesetz zu erlassen, daß sie in Ansehung des
Bergwesens grundsätzlich ebenso frei und unbehindert ist wie
jeder souveräne Staat. Graf von Tattenbach, der als bevoll-
mächtigter Delegierter des Deutschen Reichs an den Verhand-
lungen der Marokkokonferenz in hervorragender Weise teilge-
nommen hat, ist allem Anschein nach derselben Ansicht gewesen.
In seinem im Weißbuch als Anlage 31 abgedruckten Bericht an
das Auswärtige Amt vom 26. Juni 1909 äußert er: „Mir scheint,
daß speziell das sechste Kapitel mit den Worten beginnt: „Um den Grund-
satz der wirtschaftlichen Freiheit ohne jede Ungleichheit zu sichern .. .*
(Art. 105).
© PoHL im Archiv f. öff. R. XXI S. 274 fl.