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in zweiter Lesung bewilligt. Während er den Aufruf vornahm,
wurde dem Präsidenten — wie er glaubte, durch einen Beauf-
tragten des Staatssekretärs v. Tschirschky und Bögendorff — ge-
sagt, die Generalakte und das Zusatzprotokoll werde nicht zur
Bewilligung vorgelegt, sondern nur der Entwurf des Gesetzes zur
Ausführung der Generalakte. Auf diese, Heiterkeit hervor-
rufende Mitteilung antwortete der Präsident, nach der bisherigen
Praxis des Reichstags sei, wenn einem zur Bewilligung vorge-
legten Gesetze eine Anlage beigegeben worden, auch immer über
diese Beilage und zwar bei der Spezialdiskussion zu den einzelnen
Paragraphen abgestimmt worden. Nicht der Staatssekretär des
Auswärtigen Amts, sondern der Staatssekretär des Innern Graf
v. Posadowsky-Wehner machte auf Grund des Artikels 11 Abs. 3
der Reichsverfassung über die aufgetauchte staatsrechtlicheSchwie-
rigkeit eine Gegenausführung gegen den Präsidenten und kam zu
dem mit der erwähnten Erklärung des Staatssekretärs des Aus-
wärtigen Amts unvereinbaren Ergebnis: „Nach Auffassung des
Herrn Reichskanzlers und der verbündeten Regierungen bedarf
nur das vorgelegte Gesetz der Zustimmung des Reichstags, nicht
aber die Generalakte über den Algecirasvertrag als solche, die
lediglich zur Erörterung und Kenntnisnahme mitgeteilt ist, und
die meines Erachtens deshalb nicht zur Abstimmung gebracht
werden kann.“ Dagegen wies Graf v. Ballestrem treffend darauf
hin, daß die Akte eine Beilage des Gesetzentwurfs sei. Wenn
die Ansicht der verbündeten Regierungen sich mit den Ausfüh-
rungen des Staatssekretärs des Innern deckte, so hätten sie nicht
in 8 1 des Gesetzentwurfs sagen sollen: der anliegenden,
mit Uebersetzung versehenen (Generalakte der Internationalen
Konferenz von Algeciras usw. Launig meinte der Präsident:
„Diese staatsrechtliche Frage können wir ja jetzt nicht zum
Austrag bringen. Es ist ja auch kein Schaden daraus entstan-
den“ ®, Für die rechtliche Beurteilung des Falles Mannesmann
e8 Vgl. ZORN in Deutsche Juristen-Zeitung 1907, Nr. 2, Spalte 90, 91.