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Das ist mir niemals eingefallen, sondern was ich durch diese Stellen belegen
wollte war, daß Bentham durchaus nicht so einflußlos auf die Kodifikatoren
im allgemeinen war, wie dies LUKAS in seiner früheren Abhandlung „Zur
Lehre vom Willen des Gesetzgebers“ dargestellt hat. In dieser Abhandlung
heißt es nämlich S. 420: „Es liegt mir selbstverständlich ferne, die wissen-
schaftliche Bedeutung Benthams auch nur im geringsten antasten zu wollen,
und ich halte es für sehr begreiflich, daß ein Theoretiker, wie Thibaut,
so stark unter dem Einflusse der Benthamschen Lehre gestanden ist.
Andererseits aber halte ich es a priori für sehr unwahrscheinlich, daß vor-
wiegend praktisch denkende Männer, wie es die Kodifikatoren des Code
Napoleon gewesen sind, so ganz im Banne des theoretischen Lehrgebäudes
eines Bentham sich befunden haben sollen.“ Dagegen allein sollten meine
beiden Belegstellen Beweis schaffen. Sie sollten beweisen, daß die „praktisch
denkenden Männer“ Bentham keineswegs als Stubengelehrten behandelt
oder gar ignoriert haben, insbesondere forderte der Ausdruck „eines Bentham*®
geradezu heraus, und ich glaube, dieser mein Nachweis ist jetzt durch die
Ausführungen von LUKAS noch mehr bekräftigt worden.
3. Auf Seite 66 seiner jüngsten Abhandlung sagt Lukas: „Ein völlig
sicheres Urteil darüber, ob dies wirklich der Fall ist“ (nämlich ob die
preußischen Kodifikatoren Natur der Sache und positives Naturrecht von
einander geschieden haben), „könnte ich mir erst auf Grund sorgfältiger
Prüfung des von HATSCHEK benutzten Archivmaterials bilden, jedenfalls
aber sprechen die von HATSCHEK vorgebrachten Quellenzitate eher dagegen
als dafür“. Aber auf Seite 72 Anmerkung 31 spricht er sogar schon von
der „Widerlegung“ meiner Ansicht. Ich hoffe demgegenüber, daß LUKAS
bald in der Lage sein wird, das Archivmaterial in dieser Weise zu prüfen,
er wird dann sicherlich auf eine Stelle stoßen, die ich übrigens auch in
meiner ersten Abhandlung „Bentham und die Geschlossenheit des Rechts-
systems“ (Archiv des öffentlichen Rechts, Bd. XXIV, 8.453, Anmerkung 17)
zitiere, worin sich die Redaktoren des allgemeinen Landrechts, DANCKEL-
MANN und V. CARMER-SUAREZ, über diesen Punkt auseinandersetzten. Da
sie mir eine auch über den Rahmen unserer Polemik hinausreichende Be-
deutung zu haben scheint, bringe ich sie im Anhang ausführlich wieder.
Ich glaube, LukAs wird nach dieser Richtung hin seine Zweifel fallen
lassen und die Annahme der „Widerlegung“ aufgeben.
4. Lukas vorliegende Abhandlung „Benthams Einfluß auf die Ge-
schlossenheit der Kodifikation“ sucht den Nachweis zu erbringen, daß weder
der Code Napoleon noch das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetz-
buch den Standpunkt der Geschlossenheit der Kodifikation vertreten, daß
sie vielmehr von der Lückenhaftigkeit des Gesetzbuchs ausgehen. Aber all
die Stellen, die er aus den Quellen zum Belege seiner Ansicht anführt,
lassen sich ebenso für den entgegengesetzten Standpunkt verwerten. Ueberall
wo er Lückenhaftigkeit der Kodifikation sieht, sehe ich Geschlossenheit,