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schlossenheit“, der das Naturrecht mit offenen Armen aufnimmt, von dem
BENTHAMschen Begriff der „Geschlossenheit“ gerade in dem hier entschei-
denden Punkte wesentlich abweicht: Dem Naturrechtsgegner
BENTHAM * konnte es nicht in den Sinn kommen, das Naturrechtals
subsidiäre Rechtsquelle zuzulassen. Ein Gesetzbuch, das auf dem ent-
gegengesetzten Standpunkt steht, kann demnach nicht den BENTHAMschen
Begriff der „Geschlossenheit der Kodifikation“ sich zu eigen gemacht haben.
c) Zum Schluß noch etwas: Angenonımen, der HATScHEKsche Begriff
der „Geschlossenheit“ würde mit dem BENTHAMschen tatsächlich überein-
stimmen, dann muß noch die Frage aufgeworfen werden, ob das, was
HATSCHEK unter „Geschlossenheit der Koditikation“ versteht, wirklich erst
durch BENTHAM in die kontinentale Kodifikationsbewegung eingeführt
worden ist. Die Antwort lautet: Nein. Dem HartscHaexschen Begriff der
„Geschlossenheit“ trug nämlich bereits das Westgalizische Gesetzbuch
v. 1797 mit seinem $ 19 Rechnung. HaATrscHEk glaubt das Gegenteil und
stützt sich dabei auf den Passus von den „Gründen anderer damit ver-
wandten Gesetze“. Aber derselbe Passus kehrt jaim 8 7 ABGB. v. 1811
wieder! Und obendrein hat er eine ganz harmlose Bedeutung, er ist
einfach eine Umschreibung der Rechtsanalogie (im Gegensatz zur sg.
Gesetzesanalogie), wobei „Gesetz“ in der Bedeutung „Rechtsnorm*
gebraucht wird. Auch die rein subsidiäre Funktion des Naturrechts ist
bereits in $ 19 Westgaliz. GB. mit voller Klarheit ausgesprochen, diese
Kodifikation entspricht also vollkommen dem HATSCHERschen Begriff der
„Geschlossenheit“, die darin besteht, daß die Kodifikation „mit allen sub-
sidiären Rechtsquellen eine in sich geschlossene Einheit bildet“. — Schließ-
lich versteigt sich HATSCHEK zu der Behauptung, erst seit 1808 finde
sich bei ZEILLER „mit Deutlichkeit die Unterordnung des Vernunftkodex
unter das bürgerliche Gesetzbuch‘, ZEILLERs Ausführungen in der Sitzung
v. 28. XII. 1801 sollen davon noch weit entfernt sein. Das ist ganz und gar
aus der Luft gegriffen. Seit den Zeiten des Westgaliz. GB. hat bei den österr.
Kodifikatoren bezüglich der rein subsidiären Funktion des Naturrechts
nicht der geringste Zweifel bestanden, und das von HATSCHEK vorgebrachte
Zitat aus ZEILLERS Referat v. 1801 gehört nicht zur Sache, sondern be-
trifft, wie jedermann sich leicht überzeugen kann, einen ganz anderen Punkt.
Anhang. |
Skizze der Polemik zwischen HATsScHEK und mir in der Frage der
Beeinflussung des Code Napoleon durch BENTHAM:
“ Vgl. BENTHAM, Traites de legislation, herausgeg. v. DuMont, 1829,
Ss. 12f., deutsche Uebersetzung v. BENEKE, I 1830, S. 106 fl.; und dazu
BERGBOHM, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, I 184 f.