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wissenschaft bisher nicht kultiviert worden ist und wohl auch nicht sehr
viel Anklang finden würde. Max Huber.
Hüssen, Fritz, Die Verfassungsentwicklung Transvaals
zur „Selfgoverning Colony“ Heft XVI der „Freiburger
Abhandlungen aus dem Gebiete des Öffentlichen Rechts“. Karlsruhe
1909. XI u. 1468.
Die Verfassungsentwicklung der britischen Kolonien bietet nicht nur
ein außerordentliches geschichtliches, sondern auch ein hohes staatsrecht-
liches Interesse; denn einerseits zeigt sie eine Wandlung des historischen
englischen Verfassungstypus zu demjenigen der modernen, geschriebenen,
demokratischen Verfassungen und andrerseits die stufenweise Dezentrali-
sation eines Einheitsstaats zu einem, vom Bundesstaat wesensverschiedenen
zusammengesetzten Staatenstaat. Nach beiden Richtungen darf die Ent-
wicklung Südafrikas und des Transvaals speziell ein besonderes Interesse
beanspruchen. Transvaal ist britische Kolonie und Südafrika ein geschlos-
senes britisches Herrschaftsgebiet geworden in einer Zeit, als in Canada
und Australasien die Selbstverwaltungs- und Föderativinstitutionen bereits
die höchste Ausbildung erreicht hatten. So erklärt es sich, daß die kon-
stitutionelle Entwicklung der „weißen Kolonien“ des dunklen Erdteils viel
rascher sich abwickelte, als es in andern Teilen des britischen Reiches der
Fall gewesen. Ganz besonders rasch folgten sich die Ereignisse im Trans-
vaal, welche Gegenstand der angezeigten Abhandlung sind.
Am 4, Juli 1900 wurde Lord Kitchener zum Administrator des von den
britischen Truppen okkupierten Gebietes der beiden Burenrepubliken er-
nannt und am 1. September darauf erfolgte die förmliche Einverleibung in
das britische Reich. Nach englischem Gewohnheitsrecht bleibt in eroberten
oder durch Cession erworbenen Gebieten das bisherige Recht subsidiär
bestehen, kann aber von der Krone auf dem Verordnungsweg, ohne Inter-
vention des Reichsparlamentes, verändert werden. Die Londoner Regierung
hatte also freie Hand in der Gestaltung der politischen Verhältnisse im
Transvaal und sie machte davon Gebrauch im Sinne großen, von staats-
männischem Weitblick zeugenden Entgegenkommens gegenüber den Ein-
wohnern der annektierten Gebiete, Sie bekundete diese Politik namentlich
im Friedensvertrag von Vereeniging (31. Mai 1902), in welchem sie den
Buren eine möglichst rasche Einführung reiner Zivilverwaltung zusicherte
und versprach, diese, sobald es die Umstände erlaubten, durch repräsentative
Institutionen zu ergänzen, welche zu „responsible government“ hinführen
sollten, d. h. es sollten die Burenkolonien den Entwicklungsgang durch-
machen, den die amerikanischen und australasischen Kolonien zwischen
den 20er und den 60er Jahren des XIX. Jahrhunderts durchlaufen hatten;
von der bureaukratisch verwalteten Kronkolonie zur Kronkolonie mit Teil-
nahme des Laienelements, von da zur rein monarchisch-konstitutionellen