Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 26 (26)

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und von dieser zur parlamentarischen Regierung. Von diesen Etappen 
wurden die erste in der Verfassung von 1901 erreicht; der erste Legislative 
Council unter diesem System, an dem Laien neben instruierbaren Beamten 
teilnahmen, trat 1903 zusammen. Noch unter dem Ministerium Balfour 
wurde am 31. März 1905 eine neue Verfassung gegeben — zwar noch nicht 
in Kraft gesetzt — welche an Stelle des Legislative Council, der im wesent- 
lichen ein durch Laien ergänztes Regierungskollegium war, eine Legislative 
Assembly setzte. Diese sollte aus 6—9 ernannten Beamten-Mitgliedern und 
30—35 Gewählten bestehen. Das Wahlrecht war in der Hauptsache nur 
durch einen geringen Zensus beschränkt, aber doch so gestaltet, daß die 
englische Einwandererbevölkerung, die in den Städten und Minendistrikten 
angesiedelt ist, einen tatsächlichen Vorteil gegenüber der landbautreibenden 
Burenbevölkerung besessen hätte. Dieser Umstand, sowie die Tatsache, 
daß die Stellung des Gouverneurs und seines Executive Councils für Ange- 
legenheiten, die nicht die Gesetzgebung betreffen, von den parlamentarischen 
Mehrheiten unabhängig, also nicht politisch „responsible“ sein sollte, riefen 
starke Verstimmung hervor, namentlich bei den Buren, die in der Partei 
„Het Volk“ eine starke Organisation besaßen. Die Buren, im Gegensatz 
zu der Engländerpartei „Progressive Association“, verlangten die volle par- 
lamentarische Selbstverwaltung, wie sie in Australien und Canada schon 
seit einem halben Jahrhundert besteht. Ein Ereignis der innern englischen 
Politik kam ihnen zu Hilfe: der unerwartet eklatante Sieg der Liberalen 
und der Sturz der konservativ-imperialistischen Partei unter Balfour und 
Chamberlain. Ihren Traditionen getreu, trat die liberale Partei sogleich 
für ein möglichst großes Maß kolonialer Selbstverwaltung ein; die Ver- 
fassung ven 1905 wurde garnicht mehr in Kraft gesetzt, sondern sofort 
Schritte zur Vorbereitung einer neuen Verfassung getan. 
Diese neue Verfassung wurde vom König am 6. Dezember 1906 erlassen. 
Sie hat dem Transvaal alles gewährt, was einer englischen Kolonie überhaupt 
gewährt wird, ja sie geht in gewissen Punkten über die australische Bun- 
desverfassung hinaus, indem sie dem Transvaal-Parlament auch die Kom- 
petenz-Kompetenz, d. h. das Recht der Verfassungsrevision gewährt und zwar 
ohne erschwerende Formen, in der Gestalt des einfachen Gesetzgebungsrechts. 
Die Kompetenz des Parlaments ist nur beschränkt erstens durch die 
Reichsgesetzgebung (das britische Parlament) — nicht wie unter den Verr 
fassungen von 1902 und 1905 auch durch das kgl. Verordnungsrecht —, 
und zweitens durch die Notwendigkeit der Zustimmung des Gouverneurs, 
welcher diese in bestimmten, teils in der Verfassung, teils in den Instruk- 
tionen aufgezählten Fällen dem König, d. h. der Reichsregierung reservieren 
muß. Sodann ist von größter Bedeutung, daß das allgemeine gleiche Wahl- 
recht — mit Ausschluß von Pluralstimmen — die Grundlage der Volkskammer 
des Parlaments bildet und dem holländischen Element das Uebergewicht wenig- 
stens vorderhand sichert. Die Abhängigkeit der Regierung von der Volksver-
	        
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