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er geworden war; vorher hatte die Berliner Generalakte die Bedingungen
der Schiffahrts- und Handelsfreiheit auf den internationalen Flüssen Kongo
und Niger geregelt, auch den Sklavenhandel im Kongostaat verboten und
seine Neutralität anerkannt; doch ist diese Neutralität im Unterschiede zu
der des Königreichs Belgien nur eine fakultative, nicht eine obligatorische
und auch nicht von den europäischen Mächten garantiert. Die Verhältnisse
des neugeschaffenen Staats wurden zunächst von dem Souverän als dem
absoluten Monarchen geordnet. Für die Verwaltung mit einer Lokalregie-
rung, an deren Spitze der Generalgouverneur steht, sind territoriale Eintei-
lungen geschaffen; die Rechtspflege ist bestimmten Gerichten mit einem
Appellhof in Boma und dem Oberrat in Brüssel übertragen; für die bewaff-
nete Macht, die sich aus den Schwarzen rekrutiert und von weißen Offi-
zieren befehligt wird, sind genaue Vorschriften gegeben; besondere Sorgfalt
ist den Finanzen gewidmet: Kinnahmequellen bilden die Erträgnisse aus
Grundverkäufen und Verpachtungen, sowie aus Konzessionen gewerblicher
Art, die Zölle und die direkten Steuern der Privatpersonen und Gesell-
schaften, sowie die mannigfachen Gebühren, endlich die Eingeborenensteuer,
an deren Stelle häufig zu Mißbräuchen führende Arbeitsleistungen oder die
Abgabe von Erzeugnissen tritt. Der freie Boden gehört dem Staat, niemand
hat das Recht, den freien Boden in Besitz zu nelımen oder die Eingeborenen
von ihrem Boden zu vertreiben ; der von den Eingeborenen unter der Obrig-
keit ihres Häuptlings okkupierte Boden bleibt auch fernerhin den lokalen
Sitten und Gebräuchen unterworfen.
Seit 15. November 1908 ist der Kongostaat mit allen Aktiven und Pas-
siven im Wege der Zession an das Königreich Belgien übergegangen und
damit zu einer belgischen Kolonie geworden, die in allen Beziehungen von
der belgischen Regierungsgewalt und Gesetzgebung beherrscht wird. Ob
Belgien, das ohne Kriegsmarine weder die eigenen Häfen noch die der Ko-
lonie noch die Verbindung zwischen beiden aus eigener Kraft zu schützen
vermag, der Riesenaufgabe gewachsen ist, eine dem Gebietsumfang nach
80mal größere Kolonie auf die Dauer zu behaupten und befriedigend zu
entwickeln, muß die Zukunft lehren. Die geschichtliche Entwicklung der
Kongokolonie und ihre rechtlichen Verhältnisse sind in unserem Buche
S. 417—444 geschildert und können der Beachtung deutscher Kolonialfreunde
empfohlen werden. v. Göz.
Sperl, Prof. Dr. Hans, Die Vollstreckungsrechtshilfe zwi-
schen Oesterreich und Deutschland, Wien 1909, Manz,
58 8. (Sonderabdruck aus der Allgem. österr. Gerichtszeitung, 60. Jahr-
gang, Nr. 47, 48, 49, 51 und 82).
Die lehrreiche Broschüre erbringt den Nachweis, daß die Vollstreckungs-
hilfe zwischen Oesterreich und dem Deutschen Reiche, „d. h. die gegen-
seitige Anerkennung und Exekution der in bürgerlichen Rechtssachen er-