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werden würde Zur Ausschiffung der Besatzung des Dampfers
wurde eine halbe Stunde Zeit gegeben. Um 8 Uhr 32 Minuten
kehrte der Kapitän Durant auf sein Schiff zurück, welches nach
Uebernahme aller Mannschaften durch Sprengpatronen um 9 Uhr
15 Minuten versenkt wurde.
2. Aus den Urteilsgründen.
Ferner kann die Behauptung des Vertreters des Schiffseigen-
tümers nicht anerkannt werden, daß die von unserer Gesetz-
gebung zugelassene Zerstörung eines neutralen Schiffes den Prin-
zipien des Völkerrechts widerstreitet, selbst wenn man unter dem
doppeldeutigen Ausdruck „neutrales Schiff“ ein solches versteht,
das nur seiner Nationalität nach neutral ist, das sich aber in
seiner Tätigkeit durchaus nicht neutral benimmt. Zur Bekräf-
tigung seiner Darlegungen führt der Vertreter eine ganze Reihe
von Zitaten aus Schriftstellern an, die sich gegen die Zulässig-
keit der Zerstörung eines neutralen Schiffes aussprechen. Aber
die Meinungen der Schriftsteller oder Gelehrten, so große Au-
toritäten sie auch immer sein mögen, sind doch keine zwingenden
Normen des Völkerrechts; auf ihre Meinungen zu hören ist nütz-
lich, aber es liegt keine Notwendigkeit vor, sie anzunehmen und
auszuführen. Es sollen die den angeführten Schriftstellern ent-
gegengesetzten Aussprüche nicht zitiert werden, es mag aber nicht
überflüssig sein, auf den Artikel des bekannten englischen Ju-
risten, Professor HOLLAND hinzuweisen (Revue de droit inter-
national 1905 Nr. 3), der an der Möglichkeit zweifelt, die Ver-
senkung eines neutralen Schiffes für völkerrechtswidrig anzusehen,
besonders in Anbetracht des Umstandes, daß nicht allein die
(Gesetze Rußlands, sondern auch die von Frankreich, den Ver-
einigten Staaten und Japan die Versenkung neutraler Prisen
zulassen.
Aber nicht mit der formellen Verweisung auf Autoritäten
darf man sich begnügen, die Frage über die Zulässigkeit der