Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 26 (26)

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Literatur. 
Besprechungen. 
Spira, D., Emil, Professor an der Universität in Genf, Die Wahl- 
pflicht. Oeffentlich-rechtliche Studie Wien, Manzsche k. u, k. 
Hofverlags- und Universitätsbuchhandlung, 1909, 232 Seiten. 
Die Schrift befaßt sich mit einer Erscheinung in der neuesten Rechts- 
entwicklung. Es handelt sich um eine Reaktion gegen den Ansturm der 
radikalen Parteien bei den Wahlen für die Volksvertretungen; die politische 
Teilnahmslosigkeit, die Wahlenthaltung der Anhänger der gemäßigten 
Parteien war vielfach die Ursache des Erfolges der Radikalen bei den 
Wahlen. So gelangte man, anknüpfend an das geschichtliche Beispiel der 
Wahlpflicht in einigen Schweizer Landsgemeinden, zur Aufstellung der 
unter Strafe gebotenen Wahlpflicht (richtiger: Pflicht zur Abgabe eines, 
wenn auch nicht ausgefüllten, Stimmzettels). Das ist geltendes Recht in 
Belgien seit 1893, in Baden seit 1876, in Bayern seit 1881, in Bulgarien 
seit 1882, in Dänemark seit 1867, in Mexiko seit 1871, endlich in Oester- 
reich seit der Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts für den 
Reichsrat im Jahre 1907, allerdings nur für diejenigen Länder, in denen 
mittelst Landesgesetzes die Wahlpflicht ausgesprochen wurde. 
Das so entstandene Grenzgebiet zwischen Verfassungs- 
recht und Strafrecht wird von dem Verfasser, einem erfahrenen Kenner 
dieser beiden Gebiete, mit besonderer Gründlichkeit durchforscht. Der Ver- 
fasser ist Gegner der Wahlpflicht aus ethischen, politischen, recht’ 
lichen Gründen, die er in fesselnder Art darlegt. Nach seiner Anschauung 
sollen diejenigen, die sich selbst ihrer Untauglichkeit zu einer sachgemäßen 
Ausübung des ihnen zugefallenen Wahlrechts bewußt sind, oder die ver- 
möge ihrer abgesonderten Parteistellung jenseits des gerade aktuellen 
Parteienstreites stehen, nicht zur äußerlichen Wahlhandlung genötigt werden. 
Die Wahlpflicht ist nach des Verfassers Ansicht nur eine stumpfe Waffe 
im Kampfe gegen die Radikalen, weil sie schon durch die Abgabe leerer 
Stimmzettel erfüllt wird. Vielfach führt sie zu demoralisierenden Wirkungen;
	        
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