Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 26 (26)

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an, im Falle von Zweifeln über den Inhalt eines Gesetzes auf 
das Naturrecht zu greifen. Diese Verdrängung des refere legis- 
latif durch die Verweisung des Richters auf das Naturrecht ist 
der beste Beweis, dab der refere legislatif mit der Lehre vom 
„Willen des Gesetzgebers“ nichts mehr zu tun hatte. Hätte man 
damals noch geglaubt, daß der refere legislatif die Aufgabe habe, 
den im Gesetze enthaltenen gesetzgeberischen „Willen zum In- 
halt“ klarzulegen, so hätte man nicht zu rechtfertigen ver- 
mocht, wieso der refere legislatif durch das Naturrecht ersetzt 
werden könne®. 
Hier nun, in der Frage der Beseitigung des refere legislatif, 
ergab sich für mich die Notwendigkeit, mich mit HATSCHEK aus- 
einanderzusetzen. HATSCHEK, Engl. StR. I 157 behauptet näm- 
lich, daß der Code Napoleon unter dem Einflusse der BENTHAMschen 
Theorie von der Geschlossenheit der Kodifikation zustande ge- 
kommen sei, und daß die neue Lehre „mit den Siegeszügen 
Napoleons und mit Eingang des Code Napoleon nach Deutsch- 
land kam“; daraus war der Schluß zu ziehen, daß HATSCHEK 
speziell auch die durch den Art. 4 des Napoleonischen Gesetz- 
buches’ bewerkstelligte Aufhebung des fakultativen refere legis- 
latif auf den Einfluß BENTHAMs zurückführe. Ich hingegen bin, 
wie ich bereits dargelegt habe, der Ansicht, daß die theoretische 
Grundlage für diese gesetzgeberische Tat nicht durch die BEn- 
$ In meiner Schrift (S. 426 f.) habe ich diesen Gedanken nur für die 
österreichische Gesetzgebung ausgesprochen, wo im Jahre 1797 zum ersten 
Mal der refer& l&gislatif durch die Verweisung des Richters auf das Natur- 
recht ersetzt worden ist (vgl. a. a. O. S. 423 f.). Selbstverständlich trifft 
aber dieselbe Erwägung auch für das französische Recht zu. Denn auch 
der Aufhebung des fakultativen refere legislatif durch Art. 4 Code civil 
lag die Idee zu Grunde, dass der Richter in zweifelhaften Fällen auf das 
Naturrecht zurückzugreifen habe (vgl. a. a. O. S. 421 und Abschn. III1 der 
vorliegenden Abhandlung). 
” Wortlaut des Art. 4: Le juge qui refusera de juger, sous pretexte du 
silence, de l’obscurit& ou de l’insuffisance de la loi, pourra ötre poursuivi 
comme coupable de deni de justice.
	        
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