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rechts, I? 1881, S. 8, wo das prinzipielle Verhältnis des ALR.
zum Naturrecht in folgender Weise formuliert ist: „Das sogen.
allgemeine Naturrecht erhielt nur die Bestimmung der Kritik
über die aufzunehmenden positiven Satzungen und Institute.“ —
So viel über das ALR.
Aber auch Erwägungen allgemeiner Natur sprechen dagegen,
daß man in jener Zeit die Natur der Sache in einen Gegensatz
zum Naturrecht brachte. Daß POorTALIS, wenn er von „les lu-
mieres naturelles de la droiture et du bon sens“, „la raison na-
turelle“ etc. spricht, an das Naturrecht nicht gedacht haben
soll, widerspricht m, E. dem Denken jener Zeit. Wie wenig man
am Ausgange des 18. und zu Beginn des 19. Jh. zwischen dem
Naturrecht und der Natur der Sache zu unterscheiden wußte,
zeigt z. B. das bekannte Buch von RUNDE, Grundsätze d. gem.
deutschen Privatrechts, dessen 1. Aufl. 1791, dessen 4. kurz vor
dem 1807 erfolgten Tode des Verfassers erschienen ist. Alle diese
Auflagen bezeichnen übereinstimmend die „Natur der Sache“ als
eine selbständige, und zwar die letzte Rechtsquelle des gemeinen
deutschen Privatrechts; in 8 40 wird nämlich von den „Quellen
des heutzutage anwendbaren deutschen Privatrechts“ gesprochen
und gesagt: Wo alles andere „nichts bestimmt, da sind allge-
meine aus der Natur der Sache selbst abgezogene Rechtsgrund-
sätze als Hauptquelle des gemeinen deutschen Privatrechts zu
betrachten.“ Dieses aus der Natur der Sache „abgezogene“ Recht
war aber nichts anderes als Naturrecht, das ergibt sich aus
dem, was RUNDE über die Natur der Sache sagt: „Und was
3) in Ermangelung solcher positiven gemeinen deutschen Rechte
aus der Natur der Sache, oder 'eines den Deutschen eigenen,
durch Gesetze, Gewohnheit oder Vertrag unter Privatpersonen
anerkannten Rechtsinstituts, richtig gefolgert werden kann, ist
ebenfalls so gemein gültig und geltend, als die gesunde Vernunft;
und hat bei Entscheidung der Streitigkeiten, wie andere
Grundsätze eines hypothetischen Vernunft-