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droits eivils und droits naturels. S. darüber LAURENT, Prin-
cipes de droit civil, I 1876, 417 f., und dazu v. ZACHARIAE-CROME,
Handb. d. franz. Zivilrechts® I 1894, 174°.
Wir sehen also: Die Redaktoren des Code Napoleon sind
von der Vorstellung beherrscht, daß der Richter, wenn das Ge-
setz ihn im Stich läßt, in letzter Linie auf eine von den Quellen
des positiven Rechts verschiedene Rechtsquelle und auf das
daraus fließende Recht, das Naturrecht, angewiesen sei, mit einem
Worte: Lückenhaftigkeit des Gesetzbuches. Damit ist aber auch
bewiesen, daß der „Geist“ des Code Napoleon der BENTHANschen
Theorie von der „Geschlossenheit des Gesetzbuches“ fremd gegen-
übersteht.
2. Analog verhält es sich mit 8 7 österr. ABGB.°®, nur mit
dem Unterschied, daß hier die Verweisung des Richters auf das Na-
turrecht, oder wie es im Gesetze heißt, auf die „natürlichen
Rechtsgrundsätze“, sogar im Gesetze selbst geschieht. Auch hier
treffen wir auf den Einwand HATSCHEKs, daß die österreichischen
Kodifikatoren unter den „natürlichen Rechtsgrundsätzen“ nicht
das Naturrecht, sondern „bloß das freie richterliche Ermessen,
die Natur der Sache“ verstanden hätten (S. 452), und HATSCHEK
fügt (S. 456) hinzu, daß er in dieser Formel des $7 „nichts
anders als eine Umschreibung für die Etablierung der Geschlossen-
heit der Kodifikation“ erblicke. HATSCHEK übersieht dabei in
der Hitze des Gefechts, daß er mit dieser Behauptung nur sich
selbst trifit. Denn wie ich in meiner Schrift (S. 423 £.) ge-
zeigt habe, findet sich die Verweisung des Richters auf die „natür-
lichen Rechtsgrundsätze* bereits im & 19 des Westgalizischen
Gesetzbuches vom Jahre 1797; nach HATSCHEK haben also die
österreichischen Kodifikatoren jene „Umschreibung für die Eta-
blierung der Geschlossenheit der Kodifikation“ bereits im J ahre
1797, somit geraume Zeit vor Publizierung von BENTHAMs
= —
3% Wortlaut oben Anm. 18.