—_ 90 —
tend, daß man sich fast wundern muß, daß vor ihm noch nie-
mand diesem Gedanken Ausdruck verliehen hat?®. Denn es wäre
schlechterdings unverständlich, wenn demjenigen, der ein aus-
drückliches oder?! stillschweigendes Anerkenntnis des Staats
für sich hat, daß ihm der Adel zustehe, nur die durch Gegen-
beweis entkräftbare Vermutung einer derartigen Berechtigung
zur Seite stehen sollte. In Wirklichkeit liegt doch die Sache,
wie THIELE a. a. O. treffend bemerkt, so, „daß, wenn die ruhige
(= ungestörte) Führung des Adelsprädikats 44 Jahre bestanden
hat, die Adelsbehörde, falls Streit über die Berechtigung ent-
steht, die Erklärung abgibt, der Adel sei zwar nicht bewiesen,
solle aber nicht beanstandet werden“, er ist also, wenn diese
privatrechtliche Analogie gestattet ist, gewissermaßen ersessen.
Es fragt sich nur — und hierin liegt der Kernpunkt — von wem
dieses Anerkenntnis auszugehen hat. Wenn das Heroldsamt nur
den König bezw. die von ihm delegierte Behörde hierzu für be-
rechtigt erklärt, so ergibt schon der Ausdruck „des Staates“,
daß dies nicht der Wille des Gesetzgebers sein kann. Er be-
ruht auf einer Verkennung des Wesens des aufgeklärten Abso-
lutismus, wie er im preuß. Allg. Landrecht zutage tritt, wenn
man aus $ 1 Titel 13: „Alle Rechte und Pflichten des Staates
vereinigen sich in dem Oberhaupte desselben“, zu der Formel
Staat = König gelangen will. Hatte doch schon Friedrich d. Gr.
in seinem 1739 erschienenen Antimacchiavell den berühmten Satz
aufgestellt: „Le souverain bien loin d’ötre le maitre absolu des
peuples n’en est lui-möme que le premier domestique*,
Dementsprechend finden wir denn auch, daß das Landrecht, wenn
es vom König spricht, ganz bestimmt wiederkehrende Ausdrücke
3 Leider hat der Autor aus seiner These nicht die entsprechende Konse-
quenz gezogen.
3 „und“ ist an der betreffenden Stelle im Sinne des lateinischen „vel“
zu verstehen.
® Vgl. auch sein politisches Testament von 1752.