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Vielheit der verbundenen Gliedstaaten das maßgebende Prinzip
bildet — Staatswirtschaft und Sozietätswirtschaft.
Bei der ersteren sind die Einnahmen und Ausgaben nicht nur
gemeinschaftlich, sondern einheitliche und ungeteilte; es gibt keine
Sondereinnahmen und Sonderausgaben der einzelnen Teile des
Staates, keine anteilmäßigen Beiträge zur Deckung der Kosten
und keine Verteilung der Ueberschüsse. Andererseits gibt es bei
konsequent durchgeführter Gesellschaftswirtschaft nur Einnahmen
und Ausgaben der Mitglieder; denn wenn die gemeinschaft-
lichen oder „eigenen“ Ausgaben und Einnahmen des Bundes unter
dieselben nach einem bestimmten Maßstab verteilt werden, so
sind sie dem „Effekt nach Ausgaben und Einnahmen der Mit-
glieder“ 3,
In den Matrikularbeiträgen (und in den später eingeführten
Ueberweisungen von Anteilen der Gliedstaaten an den Reichs-
einnahmen) sieht LABAND „das charakteristische Moment der
Sozietätswirtschaft der Staaten“. Als Beweis dafür,
daß bei der Gründung des Reiches in der Organisierung der Fi-
nanzwirtschaft das Sozietätsprinzip zugrunde gelegt wurde, sind
anzuführen: Art.38 Abs. IV der Reichsverfassung, wonach Bayern,
Württemberg und Baden an dem in die Reichskasse fließenden
Ertrag der Branntwein- und Biersteuer „keinen Teil haben‘;
Art. 51, der in Abs. II von „Anteilen“ an den Reichs-Postüber-
schüssen, in Abs. III von „Quoten“ (der einzelnen Staaten) und
von ihren sonstigen „Beiträgen zu Reichszwecken“ spricht; Art. 62
Abs. II, der von „Beiträgen“ der einzelnen Staaten des Bundes
für das Reichsheer spricht; endlich der bereits im Wortlaut an-
geführte Art. 70.
Auch GEORG V. MAYR?’ hebt hervor: „Die Eierschalen des
8 Vgl. den von LABAnD verfaßten Artikel „Reichsfinanzwesen® in
STENGELS Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1890.
® Ge. v. MAYR, Artikel „Reichsfinanzen“ in CONRAD-ELSTER, a. a. O.,
Bd. VI, S. 368, 369.