— 112 —
halb der einzelnen Staaten vollständig un-
möglich wird.“
Die Einzelstaaten blickten denn auch mit Sorgen und Bangen
in ihre finanzielle Zukunft. Jedoch hatten inzwischen die krie-
gerischen Ereignisse von 1870/71 andere Sorgen in den Vorder-
grund gerückt; nach der Beendigung des Krieges nahmen die
Matrikularbeiträge während einiger Jahre dauernd ab. Nach der
oben (s. S. 108) angeführten Denkschrift zum „Entwurf eines Ge-
setzes betr. die anderweite Ordnung des Finanzwesens“ v. 21. No-
vember 1893 (S. 372 ff.) betrugen die Matrikularbeiträge 1872:
80616400 Mark; 1873: 60389072 Mark; 1874: 52 760704 Mark;
1875: 52666754 Mark. So hatten also die Gliedstaaten keine Ver-
anlassung, auf die Beseitigung der Matrikularbeiträge besonders
zu dringen. Ferner wurden in den ersten Jahren nach dem Krieg
erfolgreiche Finanzreformen in Preußen, Baden, Sachsen und
Württemberg durchgeführt. Außerdem fiel den Einzelstaaten die
Entrichtung der Matrikularbeiträge zunächst deswegen nicht all-
zu schwer, weil die Summe der Matrikularbeiträge einschließlich
der dem Reich überlassenen Einnahmen für die meisten Staaten
kaum mehr betrug als ihr Militäretat, der jetzt vom Reich
übernommen war, bisher in Anspruch genommen hatte !".
Dazu kam der günstige Schuldenstand des jungen Reiches.
1872 betrugen die Reichsschulden noch 90,4 Millionen; 1873 nur
mehr 1,1 Million; 1874 noch 400,000 Mark; 1875 war das
Reich schuldenfrei, dank der Mittel aus der französischen
Kriegskostenentschädigung und ihren Zinsen.
Aber bereits 1876 wandte sich das Blatt! Zwar betrug in
diesem Jahr die für außerordentliche Bedürfnisse verfügbare
Summe aus dieser Einnahmequelle immer noch 100 Millionen
Mark (gegen 185,8 Millionen im Jahr 1875), im Etatsjahr 1877
bis 78 noch 32,6 Millionen, aber trotzdem wurde 1876 eine An-
10 Vgl. GERLOFF, a. a. O.S. 9.