— 117 —
man daraus ein „Binnahmebewilligungsrecht des
Reichstags“ konstruiert. Sicherlich ist dieses Recht kein
materielles. Dr. Hans KöPppE ergeht sich hierüber in seiner
Schrift „Am Vorabend der neuen Reichsfinanzreform“ (Leipzig,
Duncker und Humblot, 1908; 8.29 fi.) in ausführlichen Dar-
legungen, deren Sachlichkeit und zutreffender Inhalt freilich durch
polemische Spitzen einigermaßen beeinträchtigt wird. Köppe sagt,
die Konstruktion dieses „Einnahmebewilligungsrechtes“ sei nur
eine Fiktion. Eine Differenz zwischen der Gesamtsumme der
ordentlichen Ausgaben und derjenigen der Einnahmen aus Er-
werbseinkünften, Steuern und Zöllen müsse nach der Reichs-
verfassung aufgebracht werden (Art. 70: „sind durch Beiträge
. aufzubringen“). Die Art der Deckung einer solchen Diffe-
renz stehe also gar nicht in Frage, ihre Höhe aber ebensowenig,
denn sie ergebe sich einfach durch (iegenüberstellung der Aus-
gaben und Einnahmen. Der Reichstag und die Regierungen
haben also einfach eine verfassungsmäßige Pflicht
zu erfüllen durch Einstellung der rechnerisch sich ergebenden
Matrikularbeiträge. Wollen sie dieses nicht, so müssen sie im
Gesetzgebungsweg neue Steuern einführen oder die bestehenden
erhöhen; denn außerdem kämen nur noch die Erwerbseinkünfte
ın Betracht, die aber ihrer Natur nach nur einer Schätzung,
keiner Bewilligung unterliegen. Aenderungen in den Schätzungen
der Regierung könne der Reichstag im Einverständnis mit dieser
wohl vornehmen, wenn er der Meinung sei, die Regierung hätte
irrtümlich zu hoch oder zu niedrig geschätzt, aber ein selb-
ständiges verfassungsmäßiges Recht liege darin nicht. Da
sonach rechtlich und tatsächlich gar kein anderer Weg zur
Deckung eines budgetmäßigen Defizits bleibe als derjenige der
Matrikularbeiträge, so sei dieser Zwangsausweg alles andere,
nur kein Einnahmebewilligungsrecht. Jedes Recht müsse die
Möglichkeit seiner Ausübung oder aber seiner Nichtausübung
haben, sonst sei es nur eine Pflicht. Wenn aber der Reichstag