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beim Eintritt seiner Voraussetzung, eines budgetmäßigen Defizits
ım ordentlichen Etat, nicht für Deckung sorge, so breche er die
Verfassung. Ebenso wie durch Nichtbewilligung der erforder-
lichen Matrikularbeiträge breche der Reichstag die Verfassung
auch dann, wenn er die Matrikularbeiträge höher als das De-
fizit ansetze, da nach Art. 70 der RV. die Einzelstaaten nicht
mehr als das Defizit zu leisten haben.
Soweit KÖPPE, dessen Ausführungen nichts hinzuzufügen ist.
Fürst Bismarck hat in der Reichstagssitzung v. 10. März 1877
zur Frage dieses „Einnahmebewilligungsrechts“ Stellung genom-
men, indem er gegenüber dem Abg. Eugen Richter erklärte:
„Ich kann aus bestem Gewissen erklären, daß ich keinen
Ueberschuß erstrebe, sondern nur die Deckung dessen, was uns
fehlt, die Verringerung der Matrikularumlagen, wenn es sein kann,
gänzliche Abschaffung derselben; denn ich glaube nicht, dab
Sie bloß um der parlamentarischen Machtfrage
willen unbequeme Steuern behalten wollen. Die parlamen-
tarische Macht bleibt einer verfassungsmäßigen Regierung gegen-
über durch dass Ausgabenbewilligungsrecht gesi-
chert, und einer der Verfassung nicht treuen Regierung gegen-
über sind ebensowenig Bürgschaften vorhanden, wie einem Parla-
ment gegenüber, das in seinen Beschlüssen sich an den Fort-
bestand des Reiches oder Staates nicht weiter kehren wollte.“
Auch LABAND und REHM sind der Ansicht, daß das vom
Reichstag konstruierte „Einnahmebewilligungsrecht* dem Sinn
der Reichsverfassung nicht entspricht.
2, Die Durchbrechung des provisorischen Cha-
rakters der Matrikularbeiträge durch Einfüh-
rung der Ueberweisungen.
Im engsten Zusammenhang mit der eben dargelegten Theorie
des Reichstags steht die Einführung der sogen. Francken-
steinschen Klausel.