Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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in jedem Falle eine Entscheidung zu fällen, und das aus der Gewalten- 
teilungslehre fließende Rechtsschöpfungsverbot, das ihn verpflichtet, seine 
Entscheidungen ohne eigene schöpferische Zutat immer nur dem Gesetze 
zu entnehmen, vertragen sich miteinander nur unter der Voraussetzung, 
daß das (Gesetz für jeden denkbaren Fall eine Entscheidung darbietet, der 
Voraussetzung seiner Lückenlosigkeit oder Geschlossenheit. Ihren neuerlich 
immer zahlreicheren Leugnern stellt DonmaTı die Behauptung entgegen: 
notwendige Geschlossenheit jeder Rechtsordnung. 
Der Beweis dafür schließt sich an ZITELMANN (Lücken im Recht 1903) 
an: mag auch eine Rechtsordnung ausdrücklich nur für eine noch so be- 
schränkte Zahl von Tatbeständen die Rechtsfolgen regeln, so ist damit doch, 
zugleich stillschweigend auch für alle andern denkbaren Tatbestände etwas 
bestimmt: daß hier diese Rechtsfolgen nicht eintreten sollen. Nicht also 
vermöge einer „logischen Expansionskraft* (Bergbohm), sondern gerade 
umgekehrt vermöge einer logischen Exclusionskraft der Gesetzesvorschriften 
ist die Rechtsordnung lückenlos. Jene stillschweigende Bestimmung wäre 
nun freilich wegen ihres bloß negativen, Rechtsfolgen lediglich ausschließen- 
den Inhalts noch kein Rechtssatz; DomATI behauptet aber, darin über 
ZITELMANN hinausgehend, daß sie sich nicht darauf beschränke, bestimmte 
Rechtsfolxen auszuschließen, vielmehr die ihnen entgegengesetzten Rechts- 
folgen anordne: auferlegen die besonderen Rechtssätze bestimmter Be- 
schränkungen, so ergibt für die dadurch nicht betroffenen Fälle jene still- 
schweigende Anordnung nicht bloß die Nichtauferlegung dieser Be- 
schränkungen, sondern die Erteilung eines Rechts auf Freiheit von ihnen. 
BERGBOHMS „reclitsleerer Raum“ ist in Wahrheit von diesen Freiheitsrechten 
ausgefüllt. Wird somit jede ausdrückliche Bestimmung über die Rechts- 
folgen eines bestimmten Falles notwendig begleitet von einer stillschweigenden 
Bestimmung über den Ausschluß dieser Rechtsfolgen für alle übrigen Fälle, 
so ist eine Ausdehnung jener Rechtsfolgen auf analoge Fälle unzulässig, 
es sei denn, daß durch ausdrückliche Zulassung der Analogie jener still- 
schweigenden Bestimmung derogiert wäre: der Ausschluß der Analogie ist 
selbstverständliche Regel, ihre Zulassung ausdrücklicher gesetzlicher Be- 
stimmung bedürftige Ausnahme — die Gesetzestechnik des heutigen deutschen 
Rechts steht freilich auf gerade umgekehrtem Standpunkt, da sie es ja für 
überflüssig gehalten hat, im BGB. die Zulässigkeit der Analogie, dagegen 
für notwendig im StrGB. den Ausschluß der Analogie zum Ausdruck zu 
bringen. 
DonArTiı erprobt seine Geschlossenheitstheorie an einer Reihe von gegner- 
ischerseits für die Lückenhaftigkeit beigebrachten Beispielen mit einer von 
keiner politischen Unmöglichkeit zurückschreckenden Konsequenz. Wem 
steht die Krone zu, wenn in einem monarchischen Staate die Herrscher- 
familie erlischt? DonArTı antwortet: Niemandem! Der Umstand, daß dann 
die Staatsmaschine von Rechtswegen stillstehen müßte, ihre Weiterbewegung
	        
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