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Richters auf Analogie, Gewohnheitsrecht, richtiges Recht oder eigene Rechts-
schöpfung zu derogieren sei, nur für die erstgenannte mit grundsätzlich
bejahendem Resultate; die Zulassung speziell richterlicher Rechtsschöpfung
müßte nach den Grundsätzen des konstitutionellen Staates entweder die
Aufhebung der richterlichen Unabhängigkeit oder die Volkswahl der Richter
im Gefolge haben,
II.
DONATI bezweckt mit seinem Nachweise der Lückenlosigkeit der Rechts-
ordnung vor allem, die Unnötigkeit richterlicher Rechtsschöpfung zu be-
weisen und so die sog. „freirechtliche Bewegung“ zu widerlegen. Dazu
hätte er aber neben dem Nachweise der Lückenlosigkeit noch desjenigen
der Widerspruchslosigkeit und durchgängigen Klarheit jeder Rechtsordnung
bedurft.
Die Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung wird von DonATI
nicht bewiesen, sondern vorausgesetzt. Das zeigt besonders seine Erörte-
rung über die Rechtslage im Falle der Budgetverweigerung. Die Schwierig-
keit ruht ja hier nicht auf einer Lückenhaftigkeit, sondern auf einer Wider-
sinnigkeit, nicht auf einem Zuwenig, sondern auf einem Zuviel des Gesetzes,
auf der Unvereinbarkeit der beiden Forderungen: unbedingte Weiterführung
und unbedingte Budgetmäßigkeit der Finanzverwaltung. DonxArı erklärt
aber eine solche widerspruchsvolle Norm einfach für „logisch und juristisch
unmöglich“; nur die eine oder die andere Forderung könne gelten — e allora
dov’& la lacuna ? Durch das Postulat der Widerspruchslosigkeit der Rechts-
ordnung wäre DONATI eigentlich verbunden gewesen, auch ihre Lücken-
losigkeit von vornherein ungeprüft anzuerkennen: denn im Falle ihrer
Lückenhaftigkeit stünden ja Rechtsverweigerungsverbot und Rechts-
schöpfungsverbot miteinander im Widerspruch; nicht das Ob, sondern nur
noch das Wieso der Lückenlosigkeit hätte er eigentlich untersuchen dürfen.
Ueber die Möglichkeit unklarer Gesetzesbestimmungen hat DonATı
sich ausdrücklich ausgesprochen: wir dürfen seine Ausführungen gegen
ZITELMANNSs „echte Lücken“ hierher ziehen ; denn von echten Lücken redet
ZITELMANN ja dort, wo das Gesetz eine Rechtsfolge ausspricht, uns über
ihren Inhalt aber teilweise im Unklaren läßt. DonArtı erklärt solche Ge-
setzesbestimmungen einfach für unmöglich, die angeblich unbestimmte Ge-
setzesbestimmung sei entweder wirklich unbestinnmt —, dann liege, da eine
unbestimmte Verpflichtung keine sei, in der 'l'at keine Gesetzesbestimmung
vor, oder aber die scheinbar unbestimmte Gesetzesbestimmung nehme zu
ihrer Ergänzung stillschweigend auf Normen aus anderen Normenklassen,
2. B. die lex contractus, Bezug — dann sei sie in Wirklichkeit nicht un-
bestimmt. Daß damit wie die Widerspruchslosigkeit, so auch die Klarheit
ıles Gesetzes vorausgesetzt, statt bewiesen wird, zeigt drastisch DONATIS
Eintscheidung eines der von ZITELMANN angeführten Rechtstfälle: für Er-