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greifung eines Verbrechers ist ein Preis ausgeschrieben ; es beteiligen sich
mehrere an der Ergreifung; wie war nach ALR,, das eine dem $ 660 BGB.
entsprechende Bestimmung nicht besaß, der Preis zu verteilen? . DOnATı
antwortet: zu gleichen Teilen; weil es „logische Auslegungsregel“ sei, daß
mehrere Gläubiger zu gleichen Teilen Gläubiger seien!
Aber auch die „notwendige Lückenlosigkeit jeglicher Rechts-
ordnung“ hat DoNnATI keineswegs erwiesen. Er betrachtet es als eine keines
weiteren Beweises bedürftige „logische“ Notwendigkeit, daß der Gesetzgeber,
der für bestimmte Fälle bestimmte Rechtsfolgen ausdrücklich anordne, sie
damit für alle übrigen Fälle stillschweigend ausschließe. Wenn der Ge-
setzgeber zum ersten Male zu einer speziellsten Spezialbestimmung den
Mund auftäte, so regelte er also damit kraft logischer Notwendigkeit, mag
er nun wollen oder nicht, das gesamte rechtlicher Ordnung überhaupt fähige
Lebensgebiet! Eine stückweise Erzeugung der Rechtsordnung ist ihm un-
möglich — er kann keinen Rechtssatz hervorbringen, ohne, nolens volefs,
eine ganze Rechtsordnung zu schaffen! Demgegenüber ist einzuwenden,
daß die Tragweite einer gesetzlichen Bestimmung lediglich von dem Willen
des Gesetzgebers abhängen kann und daß ein Gesetzgeber zwar möglicher-
weise, wie DOonATI will, konnte anordnen wollen, daß bestimmte Rechts-
folgen nur in den ausdrücklich geregelten Spezialfällen eintreten sollten,
ebensowohl aber auch nur anordnen gewollt haben kann, daß sie in diesen
Fällen eintreten sollten, ohne sie für andere Fälle ausschließen zu wollen.
An zweifellosen Beispielen solcher bewußt fragmentarischer Rechtsordnungen
fehlt es bekanntlich, bis hinab zum heutigen englischen Recht, nicht.
Gerade an den entscheidenden Stellen begegnen uns also in DONATIS Ge-
dankengebäude auffällig schwache Träger. Es geht ihm, wie so oft formal-
logisch hervorragend begabten Köpfen : der Denkfortschritt führt das ganze
Interesse mit sich fort, bevor noch sein Ausgangspunkt hinreichend geprüft
ist, und es entsteht ein System von feinster Verknüpfung der Teile, aber
in seiner Gänze auf Sand gebaut. Das sei jedoch nicht unser letztes Wort;
dies soll vielmehr ein Wort der Anerkennung sein für die redliche und
unermüdet gründliche Denkarbeit Dowarıs. Es darf nach der Lektüre der
ganzen Arbeit wiederholt werden, was ich nach Kenntnisnahme von ihrem
früher gedruckten ersten Teile an anderer Stelle aussprach:: daß in DoNATI die
freirechtliche Bewegung ihren bisher scharfsinnigsten Gegner gefunden habe.
Heidelberg. GustavRadbruch.
E. Roguin, Trait& de droit civilcompare. Le r&egime matri-
monial. Paris Librairie generale de droit et de jurisprudence 19095.
XVI und 920 S.
Man darf von Ro@uın im internationalen Recht und in der rechtsver-
gleichenden Darstellung immer ein Meisterwerk erwarten. Auch dieser Band
Archiv des öffentlichen Rechts. XXVII. 1. 9