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Gebiet der Gerichtsverfassung. Hier liegt in der Tat der Schlüssel zu vielen
Schwierigkeiten, die Lösung zu manchem verworrenen und verwirrenden
Mißverständnis zwischen den Anhängern und den Gegnern der durchgrei-
fenden Reformpläne, die in den letzten Jahren aufgetaucht sind. Eine Re-
form der Zivilprozeßordnung kann sich auf eine glänzende literarische Vor-
arbeit und auf die sorgfältigste, in die feinsten Verschlingungen des Pro-
zeßwegs eindringende Kleinkunst der großen Kommentare stützen ; das Ge-
richtsverfassungsgesetz haben wir vor Kurzem kaum in einer kommentierten
Handausgabe gehabt, geschweige denn in systematischer Darstellung.
Wenn KıscHs kleines Kompendium ein Gefühl des Bedauerns weckt,
so ist es das, daß wir nicht gleich von ihm dieses große dringend verlangte
System erhalten haben. Indessen nehmen wir „Unsere Gerichte und ihre
Reform“ als Vorläufer dazu und als Versprechen. Hier ist, wie in KıscHas
Zivilprozeß-Grundriß in der Gösehenschen Sammlung das Ergebnis gelehrter,
tiefeindringender Arbeit in gedrungener Form, ohne überflüssiges Beiwerk,
ohne überhebliche Polemik (wie sie z. B. Gerlands Buch über die englische
Gerichtsverfassung verunstaltet), ohne daß irgendwo der Verfasser sich
rühmte (wozu er alles Recht hätte) das Gebiet zum erstenmal im Zusammen-
hang bearbeitet und geradezu erschlossen zu haben. In der Kritik der
herrschenden Zustände (z. B. im Urteil über die Laiengerichte, über die
Sondergerichte, über die Grenzen der sachlichen Zuständigkeit zwischen
Gerichten höherer und niederer Ordnung) ist er sehr maßvoll, läßt sich
weder von rechts noch links beirren, und muß auch da, wo der Leser viel
radikalere Reformwünsche hegt, im gesunden praktischen Abwägen des Re-
formbedürfnisses und der Durchführbarkeit der vorgeschlagenen Aende-
rungen aufs gründlichste studiert und respektiert werden, Ich gehe in vielen
Punkten weiter als KıscH, z. B. in der Kritik unseres Kollegialsystems,
aber ich bekenne, von keiner Apologetik des geltenden Rechts so viel
Anregung und so viel erwünschte Korrektur eigener Radikalismen empfangen
zu haben, als von KıscaHs Schrift.
Je einfacher und unscheinbarer sie auftritt, desto dringender sei sie
empfohlen. Mendelssohn Bartholdy.
Betzinger und Mainhard, Handbuch der Liegenschaftsvoll-
streekung für das Großherzogtum Baden. Zweite
durchgesehene Auflage. Tübingen J. C. B. Mohr 1908. XII und 416 S.
BETZINGERs Arbeiten nehmen im Gebiet des badischen Ausführungs-
rechts zum Reichsrecht die erste Stelle ein; die zweite Auflage, die MaAIn-
HARD bearbeitet hat, ist des ausgezeichneten Verfassers der ersten durchaus
würdig, die Erläuterungen zum Zwangsversteigerungsgesetz halten sich, da
die großen Kommentare zu diesem Gesetz ja durch BETZINGER-MAINHARD
keineswegs ersetzt werden sollen, in verständig knappen Grenzen, ohne daß