Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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Fall den Kaiser von der Opportunität seines Rücktritts zu über- 
zeugen, alles dieses sind Fragen die entschieden sein müssen, 
wenn wir einer Beantwortung unserer Fragen näher treten wollen. 
Diesen Ausführungen entspricht es auch, daß bei der An- 
nahme des Reichssteuergesetzes 1909 in einem vom Reichskanzler 
nicht vertretenen Sinne der neue Reichskanzler gegenzeichnete, 
obwohl er erst zum Reichskanzler ernannt wurde, als das Steuer- 
gesetz angenommen war. Er konnte es, ohne damit den mate- 
riellen Inhalt der Gesetze zu decken, da die Möglichkeit der 
Uebernahme der Verantwortlichkeit für das formelle rechtmäßige 
Zustandekommen der Gesetze gegeben war. Ebenso hätte auch 
der Reichskanzler Fürst Bülow, obwohl seine persönliche An- 
sicht nicht mit der durch die Reichstags- und Bundesratsmehr- 
heit zum Gesetz erhobenen Ansicht übereinstimmt, die Steuer- 
gesetze gegenzeichnen können, ohne dadurch einen Satz unseres 
deutschen Staatsrechts zu verletzen. Daß es nicht geschah, ist 
von ÖOptimisten als ein Zeichen der Entwicklung unseres Staats- 
lebens zum Parlamentarismus angesehen werden. Wir finden 
den Grund in der persönlichen Rücksichtnahme des Kaisers, 
ohne darin eine Prinzipienänderung unseres Staatsrechts zu er- 
blicken. Wenn wir aber nach dem Prinzip unseres Staatsrechts 
die Kontrasignatur nur auf die Form beziehen, ist damit unsere 
Stellungnahme in der Kontroverse entschieden. 
IV. Eine andere Frage ist die: 
1. Ob eine solche Trennung der Gesetzgebung ohne vor- 
geschriebene Kompetenz notwendig war; 
2. welchem Weg das Merkmal des primären anhaftet; 
3. ob sie politisch war und ist. 
Die drei Fragen gehen ineinander über und ergänzen sich 
in ihrer Beantwortung. — Eine Untersuchung der Motive, die 
zu der gesetzlichen Regelung geführt hat, wie wir sie heute 
haben, ergibt, dass wir in der Möglichkeit der Reichsgesetz- 
gebung in elsaß-lothringischen Landesangelegenheiten ein Sicher-
	        
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