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gezogenen Bestimmungen des Stellvertretungsgesetzes sind aber
durch & 4 zit. Gesetzes bedeutend modifiziert. Der Zweck beider
gesetzlichen Bestimmungen ist derselbe: einen unter eigener
Verantwortlichkeit tätig werdenden Stellvertreter zu schaffen.
Allerdings bleibt hierneben noch der Statthalter in gleicher Weise
verantwortlich, da die ihm durch dasselbe Gesetz gegebene Be-
rechtigung, jederzeit in die Amtstätigkeit des Stellvertreters ein-
zugreifen, negativ eine Verantwortlichkeit für die Unterlassung
eines eventl. Eingriffs in sich schließt.
Es knüpfen sich an diese Frage lebhafte Meinungsverschie-
denheiten, die teilweise daraus entsprungen sind, daß seinerzeit
Bismarck, als bei der Beratung des Stellvertretungsgesetzes von
einer Seite die Aufnahme einer Bestimmung des Inhalts bean-
tragt wurde, daß die Verantwortlichkeit auf den Stellvertreter
übergehe ®, quasi die authentische Interpretation dafür abgab,
daß selbstverständlich derjenige, der kontrasigniere, auch für das,
was er kontrasigniere, allein verantwortlich sei. So bedeutend
auch die Stelle ist, die eine solche Erklärung abgab, sie deckt
sich nicht mit dem Inhalt des Gesetzes.
Wenn jemand für einen Betätigungskreis verantwortlich sein
soll, muß er auch notwendig volle Betätigungsfreiheit haben.
Diese hat sowohl der Staatssekretär wie der jeweilige Vertreter
des Reichskanzlers. Anderseits muß aber auch gelten: Wenn
jemand das Recht hat, in jeder beliebigen Weise in einen Be-
tätigungskreis einzugreifen, der quoad jus zu seiner Kompetenz
gehört; wenn ferner diese Uebertragung einzig und allein auf
die Behinderung zurückzuführen ist, eine politische Spaltung aber
nicht nur nicht beabsichtigt ist, sondern sogar vermieden werden
sollte, so muß doch logischerweise diesem Recht des Eingreifens
eine Pflicht des Eingreifens entsprechen, da nur so die Einheit
der politischen Leitung und eine richtige, den Intentionen hier
85 Antrag Beseler und Genossen, vgl. JorL in HırrHs Annalen 1878
S. 410 und RupoLpH Der Statthalter in E.-L. 8. 89.