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Deutsche Reich abgetreten und diesem die volle Souveränität
übertragen (26. 2. 71 Art. 1)!%. Damit erhielt E.-L. von vorn-
herein eine bei weitem andere Stellung als die bis dahin zum
Deutschen Reich gehörigen Bundesstaaten. Es fehlte hier das
Mittelglied einer selbständigen autonomen Regierung gegenüber
der Reichsgewalt, da keine Macht kraft eigenen Rechts exi-
stierte. Die Souveränität über E.-L. war von Frankreich auf das
Deutsche Reich übergegangen, folglich nahm das Deutsche Reich
E.-L. gegenüber auch dieselbe staatsrechtliche Stellung ein. Mit
andern Worten: in E.-L. fielen Reichsgewalt und Landesgewalt
zusammen. Diese rein objektive Scheidung konnte beibehalten
werden, wenn man sich nur stets bewußt war, daß die hieraus
subjektiv Berechtigten identisch waren. Landesherr in E.-L. war
demnach der Bundesrat als die begriffliche Souveränität des Deut-
schen Reiches !.
Durch $ 3 des RG. vom 9. Juni 1871 wurde bestimmt: Die
Staatsgewalt in E.-L. übt der Kaiser aus. Damit war der Kai-
ser nicht etwa Landesherr von E.-L. geworden, sondern wie er
nur Träger der Souveränität im Reiche, sozusagen die verkör-
perte Souveränität der begrifflich im Bundesrat liegenden Sou-
veränität ist, so übte er die Staatsgewalt in E.-L. nur aus.
Der Kaiser ist Organ des Reiches. Die zu anderen Resultaten
kommende Interpretation 1? stützt sich auf den etwas zweifel-
haften Wortlaut des (Gesetzes. Unsere Ansicht geht von der
10 Auch wenn man, wie ZORN, E.-L. schon seit August 1870 durch den
völkerrechtlichen Titel der debellatio als zum Deutschen Reich gehörig be-
trachtet, muß man doch in dem Friedensvertrag die Ablösung dieses Titels
durch den der völkerrechtlich sog. Zession erblicken.
ıı Die nähere staatsrechtliche Qualifikation von E.-L. siehe $ 5 unserer
Arbeit.
2 Vor allem LEONI, der im Gegensatz zu der überwiegenden Mehrzahl
aller Staatsrechtler im Kaiser den Souverän von E.-L. sieht, da ihm durch
das Gesetz von 1871 die Staatsgewalt quoad jus delegiert worden sei.
Gegen LeonI besonders AreL, Die landesherrliche Gewalt des Kaisers und
ROSENBERG, Staatsrechtliche Stellung von E.-L. S. 24 ft.