— 179 —
Reichstag bei der Begründung der Reformvorlage von 1893 zu-
gehen ließ, sind in den 11 Jahren von 1879 bis 1890 in den
Einzelstaaten über 454 Millionen M. an Steuern erlassen und
nur für 95 Millionen neue Steuern erhoben oder Steuererhöhungen
eingeführt worden. So ermäßigte Preußen 1880 und 1883 die
Klassensteuer und dotierte aus seinem Anteil am Ertrag der
Getreide- und Viehzölle die Kommunalverbände.
Als nun die Ueberweisungsüberschüsse aufhörten und die
Einzelstaaten plötzlich wieder ungedeckte Matrikularbeiträge
leisten sollten, waren sie hiezu zum Teil gar nicht imstande,
ohne selbst Anleihen aufzunehmen. Bereits 1893 aber betrugen
die ungedeckten Matrikularbeiträge rund 30 Millionen M., 1894
blieben gleichfalls, freilich nur um 2,5 Millionen, die Ueber-
weisungen hinter den Matrikularbeiträgen zurück!
Das alles führte zu den Miquelschen Finanzreformversuchen
von 1893 und 1894. Da die Versuche an der ablehnenden Hal-
tung des Reichstags gänzlich scheiterten, genügt im Zusammen-
hang dieses Kapitels ihre bloße Erwähnung. Jedoch wegen ihrer
Wichtigkeit in der Reformgeschichte der Matrikularbeiträge wer-
den sie unten in einem eigenen Kapitel (unter VI) erörtert
werden.
Nachdem der Versuch der verbündeten Regierungen, die durch
Gesetz v. 16. Juli 1879 eingeführte Tabakgewichtsteuer durch
eine ergiebigere Fabrikatsteuer zu ersetzen, vom Reichstag ab-
gelehnt worden war und ein 1894 erneuter Versuch das gleiche
Schicksal erfahren hatte, wurde wenigstens durch die vom Reichs-
tag angenommene Erhöhung der Reichsstempelabgaben (Gesetz
v. 27. April 1894) eine Mehreinnahme erzielt, freilich keine ge-
nügende. Wegen des Scheiterns der Miquelschen Vorschläge
machten in den folgenden Jahren die verbündeten Regierungen
keine Versuche mehr zu organischen, durchgreifenden Finanz-
reformen. Statt dieser behalf man sich nun mit Palliativmitteln,
nämlich mit einer Kürzung der den Einzelstaaten zukom-