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staaten „kopfsteuerartig“ erfaßt werden, daß aber den gesetz-
gebenden Faktoren jedes Einzelstaats völlig überlassen bleibt,
wie der ihn treffende Anteil aufzubringen ist, ist an jener Stelle
bereits betont worden.
Ein wirklich gerechter, gleichmäßiger, einwandfreier Maß-
stab ist ein unerreichbares Ziel. Mit dem Wort „Steuerkraft
der Einzelstaaten“ ist nichts gesagt und nichts gedient! Es sind
zu verschiedenartige und komplizierte Verhältnisse zu berück-
sichtigen: der Ertrag der Einkommensteuer oder der sämtlichen
direkten Steuern, die Höhe des werbenden Staatsvermögens und
seiner Erträge, Betrag der Staatsschulden, Bevölkerungsdichtig-
keit, Fruchtbarkeit des Bodens, geographische Lage, Entwicklung
von Handel und Industrie usw. ’”,
(sesetzt den Fall, es ließe sich ein sogen. „gerechter Maßb-
stab“ der Verteilung normieren, was wäre dann die Folge? Eine
sehr plausible, überzeugende Perspektive eröffnet hiefür KÖPpE ?°:
steigende Abwälzung der wachsenden Aus-
gaben auf die Einzelstaaten. Der Reichstag würde
zu dem Schluß kommen, daß neue Steuern oder Steuererhöhungen
im Reich überflüssig seien, da ja die Einzelstaaten die Deckung
der Mehrausgaben insofern getrost übernehmen könnten, als nun-
mehr die Matrikularbeiträge gerecht verteilt würden, also
über Ueberlastung mit solchen nicht mehr geklagt werden könne!
„Freilich würde dieser Schluß falsch sein, denn auch die ge-
rechteste Verteilung einer Last besagt noch nichts für die
Tragfähigkeit der Mitglieder in Beziehung auf ihren An-
teil. Verteilungsmaßstab und Tragfähigkeit sind zweierlei. Die
absolute Höhe der verteilten Last kann auch bei unanfechtbarem
Verteilungsmodus übermäßig drückend sein !*
Ferner würde ein Streit um die Einschätzung zur Bei-
1? Vgl. LABAND, Direkte Reichssteuern, S. 24.
20 Köppr, „Am Vorabend der neuen Reichsfinanzreform“ (Leipzig 1908)
S. 90, 91.