Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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die Hausbewohner in Gefahr. Nach $& 1 Abs. 2 RVG. kann 
dies kein Grund für ein Verbot der Versammlung sein. Es ist 
ein Notstand gegeben und damit die Möglichkeit zur Ausübung 
des polizeilichen Notrechts in zweierlei Richtung: 1. Die Ver- 
sammlung wird verboten. Das wäre juristisch bedenklich, denn 
das Notrecht gründet sich, wie wir annehmen, immer nur auf 
8 10. II. 17 ALR. Dieser aber ist durch $1 Abs. 2 RVG. 
ausgeschaltet, soweit es sich nicht um die Sicherheit der Ver- 
sammlungsteilnehmer handelt. 2. Den Hausbewohnern wird wäh- 
rend der Dauer der Versammlung der Aufenthalt in ihrer Woh- 
nung untersagt. Das ist juristisch korrekt, da es infolge der 
rechtlichen Unzulässigkeit des Auswegs zu 1. die einzige Mög- 
lichkeit zur Abwendung der Gefahr ist !%. Die wichtigsten An- 
wendungsfälle des polizeilichen Notrechis der in Frage stehen- 
den Art sind die von OÖ. MAYER als „rettende Taten“ bezeich- 
neten, bei denen durch Anwendung sofortigen Zwanges nicht 
der Störende, sondern der durch die Störung Gefährdete in seiner 
Freiheit beschränkt wird. Soweit dabei eine vollständige Auf- 
hebung der Freiheit stattfindet, ist das Notrecht der Polizei ın 
Preußen gesetzlich festgelegt, indem das Gesetz zum Schutze der 
persönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850 2° (8& 6) die Polizei 
ermächtigt, „Personen in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen, 
wenn der eigene Schutz oder die Aufrechterhaltung der 
öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe diese Maßregeln 
dringend erfordern“. Diese Befugnis müßte jedoch nach dem 
bisher Gesagten auch ohne die besondere Ermächtigung aus der 
ı? Die Praxis wird in diesem Falle wohl zu gerecht sein, um juristisch 
korrekt zu handeln; sie wird annehmen, daß auch die Versammlungsteil- 
nehmer gefährdet sind, und darauf ihr Recht zum Verbot der Versammlung 
gemäß 8 1 Abs. 2 RVG. stützen. Vgl. das Urteil des OVG. vom 2. Januar 
1908 (SOERGEL, Jahrbuch d. Verw.-Rechts I, 550), für das jetzige Recht 
meine Ausführungen im Verw.-Arch. XVIII S. 416, sowie tür das vorher- 
gehende Beispiel daselbst S. 267 f. 
2 G.-S. S. 45.
	        
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