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allgemeinen Kompetenz der Polizei abgeleitet werden. Mit O.
MaAyER ?! bin ich sogar der Ansicht, daß das Fehlen einer sol-
chen Ermächtigung im Interesse des Schutzes der Individual-
freiheit wünschenswert wäre; denn dann würde der Polizei das
Außerordentliche des N otrechts mit seinen außerordentlichen
Voraussetzungeu viel deutlicher vor Augen stehen.
In allen soeben besprochenen Fällen liegt, wie O. MAYER
dies formuliert hat, eine „Ablenkung der natürlichen Richtung
der Polizeigewalt“ vor. Statt daß gegen den Störenden vorge-
gangen wird, wendet sich die Polizei gegen einen Dritten. Der
zuletzt erwähnte Fall, daß gegen den durch die Störung Ge-
fährdeten, z. B. einen durch die Volkswut Gefährdeten, einge-
schritten wird, ist nur ein tatsächliches Extrem und hat juristisch
keine Besonderheit. Die Rechtsgrundlage ist die gleiche, wenn die
Polizei einen Menschen in Gewahrsam nimmt, weil er von einer
erregten Menge bedroht wird, und wenn sie dies deshalb tut,
weil er dem Publikum Anlaß zu ruhbestörenden Aufläufen gibt:
Grund des Einschreitens gegen ihn ist immer nur die Gefähr-
dung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verbunden mit dem
Umstand, daß diese Gefährdung auf andere Weise nicht bekämpft
werden kann. Die wesentliche Besonderheit dieser Tatbestände
ist immer die Ablenkung der natürlichen Richtung der Polizei-
gewalt, deren rechtliche Zulässigkeit an die Unmöglichkeit der
Ausübung der Polizeigewalt in ihrer natürlichen Richtung ge-
bunden ist. Das tatsächliche Vorhandensein dieser Unmöglich-
keit muß im Einzelfalle immer genau geprüft werden. Dabei
wird sich zeigen, daß es für verschiedene Arten polizeilichen
Einschreitens sich ganz verschieden gestalten kann. Die poli-
zeiliche Verordnung wird ihrer allgemeinen Natur wegen nie
solcher Unmöglichkeit gegenüberstehen, eine Ausübung des poli-
zeilichen Notrechts durch Polizeiverordnung ist daher begrifflich
2! Q. MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht I, 356 ff.
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