einfach darauf hin zu untersuchen, ob sie durch ıhr auch recht-
lich gefordertes Vorhandensein Bedeutung gewinnt. Das Staats-
recht entkleidet nicht die Tatsachen ihres individuellen Charak-
ters, sondern sucht im Gegenteil hierin die Merkmale einer et-
waigen Subsumtion unter gegebene Begriffe, oder eines etwaigen
neuzubildenden Begrifis!®. Ein staatsrechtlicher Tatbestand ist
bisweilen auch produktiv, er schafft neue Begriffe.
II. Wenden wir uns der speziellen Betrachtung der staats-
rechtlichen Erscheinungsformen E.-L.s zu, so finden wir hierin ein
Gebilde, das kaum seines gleichen hat im Staatsrecht der Völ-
ker!°. Daher auch die Fülle gegenseitiger Ansichten. Denn hier
zeigt sich deutlich, wie unmöglich geradezu ein objektiver Maß-
stab ist. Je nachdem der Untersuchende diesem oder jenem
Punkte größere oder mindergroße Bedeutung beilegt, ver-
schiebt sich der Schwerpunkt, und damit auch die staats-
rechtliche Bewertung des Ganzen. Daher auch die zahlreichen
Widersprüche zwischen Theorie und Praxis. So sehen wir
heute in der staatsrechtlichen Gestaltung E.-L.s eines der
umstrittensten Gebiete des Staatsrechts. Es gilt Stellung zu
nehmen, einer Begriffbestimmung sich anzuschließen, oder einen
neuen Begriff zu prägen. Wir haben also die in Erscheinung
tretenden Funktionen E.-L.s und seine wesentlichen Organe zu
prüfen und ihren Gehalt zu bewerten. Finden wir in der Summe
der Formen den einen vorhandenen Begriff deckenden Tatbe-
stand, so haben wir nur zu subsumieren, andernfalls dem Be-
griff eine Gestalt zu verleihen.
8 Also der Privatrechtler muß erst untersuchen, ob überhaupt die ihm
vorliegende Tatsache privatrechtliche Bedeutung hat, ob eine rechtlich ge-
gebene Tatsache das Gegenstück zu der ersteren bildet, wodurch erst diese
rechtliche Bedeutung gewinnt. — Der Staatsrechtler weiß von vornherein,
ob die gegebene Tatsache staatsrechtliche Bedeutung hat, ohne Rücksicht
auf rechtliche Regelung. Für ihn handelt es sich nur um das „Wie?“ der
Subsumtion oder eventuellen Konstruktion.
1 Bismarck in der Sitzung des Reichstags vom 2. Mai 1871.