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berechtigt. 3. Sie ist zugleich eine Störung der öffentlichen Ord-
nung und begründet dadurch das polizeiliche Einschreiten. Zu
diesem letzten Punkte ist folgendes zu bemerken. Im allgemei-
nen ist die Rechtslage ohne weiteres klar: wenn die zu verhin-
dernde Handlung außer der Gefährdung des Einzelnen zugleich
eine Störung der öffentlichen Ordnung ist, wird sie eben nur wegen
ihrer letzteren Eigenschaft, nicht wegen ihrer Gefahr für den
Einzelnen, verboten. Eine Besonderheit liegt nur dann vor,
wenn die zu bekämpfende Handlung nicht außer und neben der
Gefährdung des Einzelnen noch eine Störung der öffentlichen
Ordnung involviert, sondern wenn eben die Gefährdung des Ein-
zelnen eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Das
würde — die strafbaren Handlungen gehören nicht hierher —
z. B. dann der Fall sein können, wenn jene Gefährdung das öffentliche
Sicherheitsgefühl verletzen würde. Das werden jedoch immer
nur Ausnahmsfälle sein. Von größerer Bedeutung wird die hier
behandelte Eventualität wohl nur da, wo die Polizei einen Ein-
zelnen gegen sich selbst schützt. An sich ist sie hierzu nicht
befugt aus demselben Grunde, aus dem die Polizei überhaupt
nicht zum Schutze Einzelner berufen ist. Der schwierigste Fall
der Vergewaltigung eines Einzelnen zu seinem eigenen Schutze
ist im preußischen Recht durch besondere gesetzliche Bestim-
mung geregelt; das Gesetz zum Schutze der persönlichen Frei-
heit gibt, wie bereits erwähnt, der Polizei die Befugnis, Personen
zu ihrem eigenen Schutz in Gewahrsam zu nehmen. Abgesehen
von diesem gesetzlich besonders geregelten Fall ®” darf die Poli-
zei Beschränkungen eines Einzelnen nie aus dem Grunde vor-
nehmen, um jenen gegen sich selbst zu schützen, sie darf dies
daher selbst dann nicht, wenn er in unmittelbarer Lebensgefahr ist*®.
” Ueber seine Konstruktion bei Fehlen der besonderen gesetzlichen
Ermächtigung vgl. O. Maxer I, 357.
3 Damit sollen jedoch keineswegs die von O. MAYRR I, S. 356 soge-
nannten „rettenden Taten“ als rechtswidrig bezeichnet werden. OÖ. MAYER