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Es verlohnt sich, die Ansicht der typischen Vertreter kritik-
los zu registrieren, um die wesentlichen Stützpunkte der Ansich-
ten zu erkennen und bewerten zu können. Die in der heutigen
Literatur gegebenen Begriffsbestimmungen lassen sich im wesent-
lichen auf 4 Gruppen beschränken. Die einen sehen in E.-L.
einen Staat, wobei wieder die einen, einen den Gliedstaaten ko-
ordinierten Staat, die andern einen Vasallenstaat annehmen.
Beiden Gruppen stehen die Auffassungen gegenüber, welche E.-L.
als Kommunalverband oder als Verwaltungsbezirk ansehen.
III. Die exponierteste Stellung, wie im Staatsrecht, so auch
in konsequenter Durchführung seiner Thesen in dieser Frage,
nimmt SEYDEL ein?. Ausgehend von der Voraussetzung, daß
die Souveränität essentielles Begrifismerkmal des Staates sei,
kommt er in logisch richtiger Deduktion zur Leugnung des
Bundesstaatsbegrifis, also auch der diesbezüglichen Natur des
deutschen Reiches. Für ihn gibt es nur Staatenbünde mit einer
mehr oder weniger straffen Organisation; immer aber bleiben die
Glieder Staaten. Sind aber als Glieder oder Bestandteile des
deutschen Reiches nur Staaten denkbar, wie er folgerichtig
annehmen muß, dann kann E.-L., da es zum Bundesgebiet ge-
hört, nur ein Staat sein.
Aber auch andere Schriftsteller, die nicht den SEYDELschen
Ausgangspunkt der Souveränität als Begriffsmerkmal des Staates
teilen, kommen zu gleichen Resultaten. Ihre bedeutendsten Ver-
treter sind ROSENBERG, REHM, sowie der anonyme Verfasser des
„Rechts der Wiedergewonnenen“ ?!. Am nächsten kommt SEYDEL
der Verfasser des „Rechts der Wiedergewonnenen“. Seine staats-
rechtliche Analyse, die in E.-L. einen Staat sieht, stützt sich
auf einen Staatsbegriffi, der dem SeYDELschen nahe steht. Nach
ihm machen ein Souverän und ein von Menschen bewohntes Land
20 Vgl. SEYDsL, Kommentar zur Reicasverfassung S. 39; ders. in der
Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft 1872 S, 252.
21 Das Recht der Wiedergewonnenen, S. 91.