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so kann Amerika dem Ersuchen mit Rücksicht auf die Ent-
scheidung des Falles Carl Vogt, alias Josef Stupp, nicht ent-
sprechen. Dieser Fall, der für die Auslegung der drei deutsch-
amerikanischen Verträge wichtig ist, lag folgendermaßen®: Der
preußische Staatsangehörige Stupp beging 1872 auf belgischem
Gebiet einen Mord und flüchtete nach den Vereinigten Staaten.
Neben Belgien, das indessen erst 1874 mit Amerika einen Aus-
lieferungsvertrag vereinbarte und deshalb abschlägig beschieden
wurde, begehrte auch Preußen auf Grund der Konvention von
1852 bezw. 1868 und unter Hinweis auf $ 4 Ziff. 3 des deut-
schen Strafgesetzbuchs, wonach ihm Strafansprüche gegen Stupp
zustanden, dessen Auslieferung von den Vereinigten Staaten.
Stupp wurde festgenommen, und seine Sache kam im Habeas-
Corpus-Verfahren vor Judge Blatchford. Vor diesem, wie auch
vor dem Commissioner, wurde geltend gemacht, daß das Ver-
brechen nicht auf preußischem Gebiet, also nicht im Sinne des
Vertrages „innerhalb der Gerichtsbarkeit, within the jurisdicetion“
Preußens begangen sei. Dieser Einwand wurde aber von Judge
Blatchford als unbegründet verworfen, und der ÜCommissioner
entschied sich nunmehr für die Zulässigkeit der Auslieferung.
Der Staatssekretär legte darauf die Frage dem Attorney-General
zur Begutachtung vor, und dieser äußerte umgekehrt seine Mei-
nung dahin, daß Gerichtsbarkeit im Sinne des Vertrages auf das
Staatsgebiet zu beziehen sei und nicht Delikte einschließe, die
außerhalb Preußens begangen seien. In Uebereinstimmung mit
diesem Gutachten lehnte der Präsident der Vereinigten Staaten
das preußische Auslieferungsgesuch ab. Hiernach würde also ein
Auslieferungsbegehren Preußens wegen eines in Elsaß-Lothringen
begangenen Verbrechens gleichfalls abgewiesen werden müssen.
® Vergl. Moore a. a. O. I, p. 135, 555; von MArTITZ, Internationale
Rechtshilfe in Strafsachen (2 Bde,, Leipzig 1888, 1897) II, S. 662 Anm, 9;
GODDYN ET MAHIELS, Le droit criminel beige au point de vue international
(Bruxelles et Paris 1880) p. 206.