Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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mehr Verständnis vorhanden sein als irgendwo sonst“. Aus 
diesem Verständnis, das oft gleichbedeutend mit Sympathie sein 
wird, erklärt man es, daß der internationale Rechtsverkehr eine 
verschiedene Behandlung der politischen und gemeinen Ver- 
brecher eintreten läßt, indem er den einen Asyl gewährt, den 
anderen versagt. Eine Auslieferung — wird als selbstverständ- 
lich angenommen -—- kann nur dann zugestanden werden, wenn 
der Verfolgte von beiden beteiligten Staaten wirklich als Ver- 
brecher angesehen wird. Und diese Unterstellung muß als ge- 
rechtfertigt anerkannt werden, ist sie doch nur der Ausdruck für 
die weit über das amerikanische Auslieferungsrecht hinaus maß- 
gebende Bedingung beiderseitiger Strafbarkeit der auslieferungs- 
pflichtigen Verbrechen oder, allgemeiner gesagt, die Folgerung 
aus der den internationalen Rechtshilfeverkehr grundsätzlich be- 
herrschenden Reziprozität. Bei politischen Delikten besteht nun 
von vornherein keine übereinstimmende Strafbarkeit nach dem 
Rechte der einzelnen Staaten. Diese selbst sind auf ganz ver- 
schiedenartige politische Grundsätze aufgebaut und beurteilen 
ein und dasselbe politische Verbrechen in von einander abwei- 
chender Weise®!, Daher kann schon aus internationalrechtlichen 
Gründen eine Auslieferung politischer Flüchtlinge nicht erfolgen. 
Zu demselben Ergebnis kommt eine Untersuchung der Zweck- 
mäßigkeitsfrage. Jeder Staat ist an der Bestrafung gemeiner 
Verbrecher interessiert, wie sich aus den wesentlich überein- 
stimmenden Strafnormen der Gesetzbücher ergibt. Bei politi- 
schen Delikten fehlt es dagegen an diesem solidarischen Inter- 
esse, denn man kann nicht sagen, daß ein Staat stets den Wunsch 
haben müsse, die augenblickliche politische Verfassung des Nach- 
barlandes unter allen Umständen aufrechterhalten zu sehen. Im 
Gegenteil erscheint es nicht selten verständlich, wenn ein Volk 
an Bestrebungen im Nachbarstaate warmen Anteil nimmt, die 
2ı Ebendort p. 129.
	        
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