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wie politische Färbung erhalten hätten. Damit gelangt man auf
den Boden der eigentlichen Diskussion.
Denn es handelt sich nun um die Frage, unter welchen
Umständen diese an sich gemeinen Verbrechen, die in den Ver-
trägen als auslieferungspflichtig genannt sind, politische Natur,
politischen Charakter annehmen und dadurch asylmäßig werden.
Ist sie beantwortet, dann ist das Bedürfnis nach einer Begriffs-
bestimmung der politischen Verbrechen befriedigt. Ob es noch
weitere politische Delikte geben mag, ist für das Auslieferungs-
recht gleichgültig. Bei der Beantwortung jener Frage geht die
amerikanische Theorie allgemein von der selbstverständlich en
Annahme aus, daß gemischt politische Verbrechen nur in Zeiten
politischer Spaltungen, revolutionärer Auf-
stände, bürgerlicher Unruhen vorkommen können ®”.,
Nur bei Delikten, welche auf diesem Hintergrund begangen sind,
kann politische Natur angenommen werden. Es bedarf jedesmal
der Feststellung, ob in dem verfolgenden Staate eine aufständi-
sche Bewegung vorhanden war, ob der Flüchtling zu einer der
streitenden Parteien gehörte, und ob das ihm zur Last gelegte
Verbrechen im Laufe und als ein Teil der politischen Betätigung
seiner Partei begangen wurde. Lassen sich im Einzelfall diese
drei Punkte nachweisen, dann liegt grundsätzlich ein Verbrechen
politischen Charakters vor, das der Auslieferung entzogen ist °®.,
Dabei ist es belanglos, ob die Partei des Flüchtlings als krieg-
führende Macht im völkerrechtlichen Sinne Anerkennung gefun-
den und ob überhaupt die Bewegung einen größeren Umfang
angenommen hat°?!. Es soll sogar ohne Bedeutung sein, daß die
(tegenpartei, gegen welche die Tätigkeit der eigenen sich richtet,
aus Privatpersonen besteht, wie man allgemein politische Trei-
bereien und Parteifeindschaften in weitem Sinne als Spaltungen
und Unruhen, die zu politischen Verbrechen führen können, an-
—.
2» Ebendort p. 119, 138. ®° Ebendort p. 119.
#1 Ebendort p. 119, 120. #2 Ebendort p. 120.