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Täter als politischem Verbrecher Asyl verstatten würden. Die
Vereinigten Staaten müßten mithin auf Reziprozität verzichten.
Ein solcher Verzicht liefe aber ihren Grundanschauungen im
Auslieferungsrecht zuwider. Vom Deutschen Reich wäre Rechts-
hilfe ohne Gewährung der Gegenseitigkeit, wie auch die oben
erwähnte amtliche Denkschrift betont, nicht zu erreichen %®. Wir
liefern den Vereinigten Staaten niemanden aus, der nach unserer
Auffassung ein politischer Verbrecher ist, weil wir solchen Leuten
Asyl gewähren. Wir liefern aber den Vereinigten Staaten auch
niemanden aus, der nach amerikanischer Anschauung ein politi-
scher Verbrecher ist, weil wir zur Bestrafung politischer Ver-
brecher nicht die Hand bieten wollen, und weil die Vereinigten
Staaten im umgekehrten Falle uns wegen desselben Deliktes
seiner politischen Natur halber Auslieferung nicht bewilligen
würden. Demnach müssen in den Auslieferungsverträgen die
beiden nationalen Definitionen jedesmal gleich bewertet werden,
solange man an der Gegenseitigkeit als der Grundlage aller
Rechtshilfeverpflichtungen festhalten will.
Die amerikanische Definition des politischen De-
likts ist also eine einseitige, nur für das amerikanische Ausliefe-
rungsrecht gültige Begrifisbestimmung. Sie zu kennen, muß für
jedes Land wichtig sein, das mit den Vereinigten Staaten im
Auslieferungsverkehr steht. Die Kenntnis wird aber einstweilen
eine unvollkommene bleiben. Wenn SIR EDWARD ÜLARKE im
allgemeinen behauptet: „In the matter of extradition, the
American law was, until 1870, better than that of any country
in the world; and the decisions of the American judges are the
best existing expositions of the duty of extradition ...“, so liegt
darin eine starke Ueberschätzung, die durch nichts belegt ist *.
54 Vergl. METTGENBERG, Die Reziprozität im deutschen Auslieferungs-
recht, in diesem Archiv Bd. 25 (1909) S. 1£. 5 A. a.0.p. 27.
66 v. MARTITZ a. a. 0. Il, S. 566 schrieb bereits zu der gleichen Bemer-
kung in der 3. Auflage des CLARKEschen Buches; „Dieses für einen Eng-