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erschöpfend bestimmt, so daß die Präsumtion gegen die Zu-
ständigkeit dieses Parlaments streitet. Von schwerwiegender Be-
deutung ist es, dab durch diese Kompetenzabgrenzung die bos-
nisch-herzegowinische Volksvertretung grundsätzlich und voll-
ständig von jeder Mitwirkung an einer Aenderung oder Auf-
hebung der erlassenen Verfassung, sei es im Ganzen oder in
einzelnen Teilen ausgeschlossen wurde. So ist also diesem Par-
lamente gerade bei der Bestimmung der fundamentalsten poli-
tischen und wirtschaftlichen Interessen des Landes die Möglich-
keit einer entscheidenden Beschlußfassung genommen. — Für
unser Problem ergibt sich aus dem Angeführten die wichtige
Tatsache, daß der Wirkungskreis des bosnischen Repräsentativ-
organs auf eine taxativ bestimmte Zahl von Rechtsgebieten be-
schränkt ist und daß der neuen Verfassung der Grundsatz fehlt,
daß alle Gesetzgebung nur unter Mitwirkung der Landesver-
tretung vor sich gehen solle.
Es erscheint nun zunächst von Bedeutung, die (resetz-
gebungskompetenz für die dem Landtage entzogenen Ma-
terien festzustellen. Diese ergibt sich nicht, wie man vermuten
sollte, aus ausdrücklichen Bestimmungen der Verfassung, sondern
sie muß erst im Zusammenhalte mit dem österreichisch-ungari-
schen Doppelgesetz von 1880 und mit den Verfassungen dieser
beiden Staaten konstruiert, oder vermittels juristischer Logik
abgeleitet werden. Wir haben es dabei mit einem komplizierten
Systeme verschiedener gesetzgebender Faktoren zu tun. Zu-
nächst kommen die sogenannten paktierten Gesetze als Rechts-
quelle für das Land in Betracht. Die vielen wichtigen gemein-
samen Interessen der Monarchie, die engen Beziehungen der
österreichischen und ungarischen Erbländer auf allen Gebieten
* Paragraph 42 des bosnischen Landesstatuts zählt in 27 Punkten im
wesentlichen das bürgerliche Recht, Strafrecht, Prozeßrecht, die Gemeinde-
gesetzgebung, die verschiedenen Gebiete der politischen Verwaltung und
die Prüfung und Genehmigung der Budgetgebarung auf.