— 301 —
ist. Aber die Regelung eines Notverordnungsrechts war über-
flüssig, da der Monarch in jedem Zeitpunkte in der Lage ist,
die ganze Verfassung und demgemäß auch einzelne Teile der-
selben wieder aufzuheben. Gebunden ist der Monarch durch die
bosnische Verfassung nur hinsichtlich der Exekutive, hinsichtlich
der Behandlung der Einzelfälle. Daraus erklärt sich auch, warum
das bosnische Landesstatut gerade nur für das Budget eine Art
Notverordnungsrecht eingerichtet hat®. Denn die Festsetzung
des Budgets ist ja kein Akt materieller Gesetzgebung, sondern
seiner Natur nach ein Akt der Exekutive, der Verwaltung. Hier
soll die Regierung — unter der stillschweigenden Voraussetzung
des Weiterbestandes der gegebenen Verfassung — kein freies
Verfügungsrecht haben. Denn ein solches würde indirekt auf
dem Wege einzelner Budgetbestiminungen die Außerkraftsetzung
von Gesetzen ermöglichen.
Daß dem Monarchen, dem Reichsfinanzministerium, sowie
den ihm unterstehenden bosnischen Behörden ein abgeleitetes,
auf gesetzlicher Ermächtigung beruhendes Verordnungsrecht zu-
kommt, ist selbstverständlich.
Die vorstehende Betrachtung des für Bosnien-Herzegowina
bestehenden (sesetzgebungsapparates führt zu gewichtigen Schlüs-
sen: Der Gesetzgebung unter Mitwirkung des bosnischen Land-
tages ist nur ein bestimmter, nicht überschreitbarer Kreis innerer
Angelegenheiten zugewiesen. Die großen Belange des Landes,
die Grundlagen seiner Rechtsordnung, der staatsrechtlichen Stel-
lung seiner Bürger, der Behördenorganisation, die Bedingungen
88 48 des Landesstatuts ordnet an: ... „Wenn ... solche unvorher-
gesehene dringende Bedürfnisse zu einer Zeit auftreten, in welcher der
Landtag nicht versammelt ist, so können die hiefür erforderlichen Mittel
nach Einholung der Zustimmung der Regierungen der beiden Staaten der
Monarchie über Antrag der Landesregierung im Wege einer Allerhöchst
sanktionierten Verordnung bewilligt werden, jedoch mit der Verpflichtung,
dem Landtage gleich bei seiner nächsten Einberufung behufs nachträglicher
Genehmigung die Gründe und Erfolge dieser Verfügung bekanntzugeben.*