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I. E.-L. ist unseres Erachtens kein Staat. — Wir geben zu,
daß diese von uns als richtig aufgestellte Tatsache durchaus
nicht in einer jeden Zweifels baren Weise festgestellt werden
kann. Davon zeugen schon die mannigfach von einander ab-
weichenden Definitionen, die vom Staate gegeben worden sind,
und noch gegeben werden. Es ist dies ein Charakteristikum des
Staatsrechts, das, wie wir oben betonten, auf der durchaus sub-
jektiven Auffassung aller Begriffe dieser Disziplin beruht. So-
lange man als das hervorragendste Merkmal des Staatsbegrifis
die Souveränität anerkannte, war es eine nicht allzuschwere Auf-
gabe, festzustellen, was ein Staat sei oder nicht. Daher auch
heute noch die scheinbare kristallklare Beweisführung SEYDEL-
scher Deduktion. Seitdem aber in neuester Zeit die Auffassung
an Boden gewonnen hat, ja fast zur herrschenden geworden ist,
daß das Element der Souveränität nicht mehr essentiell ist für
den Staatsbegriff, haben sich die Grenzen zwischen Staatsgebilde
und Kommunalgebilde verwischt, haben sich die Schwierigkeiten
negativer Feststellung wesentlich gesteigert. Es ist hier nicht
der Ort, über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der Preis-
gabe des Souveränitätsbegriffs als essentielles Merkmal des
Staates zu sprechen, das wichtigste bei dieser tatsächlichen Er-
scheinung ist, daß die Macht der Tatsache, wonach im Sprach-
gebrauch, in Gesetzen, in Verfassungen usw. Gebietskörper-
schaften als Staat bezeichnet wurden, obwohl ihnen nach allge-
meiner damals herrschender Ansicht die Souveränität fehlte,
eine sehr weittragende Umwälzung staatsrechtlicher Begriffe
herbeiführte. Auch können wir die vielfachen Versuche, neu-
artige Erscheinungsformen mit dem Kriterium der Souveräni-
tät mit den Mitteln herkömmlicher Begriffe zu rechtfertigen
(geteilte, modifizierte, beschränkte Souveränität) nicht näher
würdigen.
Man hat als Argument dafür, daß E.-L. kein Staat sei, die
Tatsache angeführt, daß E.-L. kein völkerrechtliches Subjekt