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in öffentlicher (nicht definitiver) Stellung befinden oder in einer
Gemeinde des Landes wahlberechtigt sind, ohne Landesangehö-
rigkeit das aktive und passive Landtagswahlrecht besitzen. —
Alle diese bedeutsamen Einzelheiten, welche in ihrem Zusammen-
hange als die Erscheinungen eines allgemeinen, grundlegenden
Prinzips zu betrachten sind, machen es unmöglich, die bosnischen
Landesgesetze als Ausfluß des Landeswillens anzusehen; sie neh-
men auch dem Landtage den Charakter eines spezifischen Lan-
desorgans und stempeln ihn zu einer Einrichtung, welche be-
stimmt ist, neben den Delegationen, neben dem Reichsministe-
rium, neben der österreichischen und ungarischen Legislative
unter dem Herrscherwillen des gemeinsamen Monarchen an der
Rechtsbildung für das Neuland der Monarchie mitzuwirken. Hier
offenbart sich eine deutliche Analogie zwischen der Rechtsstel-
lung des bosnischen Landtages mit jener der österreichischen
Landesparlamente. Die herrschende Theorie ist darüber einig,
daß die österreichischen Kronländer einen Staatsverband und
nicht einen Staatenverband bilden, daß die österreichischen Land-
tage den Charakter von Gesetzgebungsorganen des österreichischen
Staates, nicht aber den von Partikularparlamenten, daß die Lan-
desgesetze den von Staatsgesetzen und nicht von Gesetzen der_
Länder an sich tragen. Wo in der staatsrechtlichen Literatur (von
der politischen Tendenzliteratur ist hier nicht zu sprechen) ein
gegenteiliger Standpunkt geltend gemacht wird, da sind es an erster
Stelle geschichtlich-genetische Argumente, welche ins Treffen ge-
führt werden: die Entstehung der österreichischen Staatsgewalt
aus den einst selbständigen Landesgewalten ; die Entwicklung der
heutigen Sonderstellung der Länder aus den einstigen feudalen
Grundlagen ihrer Verbindung; die erfolgreiche Geltendmachung
der „historisch-politischen Individualität der Länder“ !? bei der
Schaffung der in Kraft stehenden Landesstatute. Daneben wird
# Vgl. dazu Hauke, Grundriß 8. 34.