Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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wirkt, juristisch nicht als Ausdruck des Landeswillens bezeichnet 
werden kann. Die Funktionen der bosnisch-herzegowinischen 
Landesvertretung erscheinen lediglich als eine Mitwirkung 
bei der gesetzgebenden Tätigkeit Oesterreich-Ungarns für die 
Herrschaft im Neulande. Der bosnische Landtag muß daher als 
ein neues „gemeinsames“ Organ der Monarchie von be- 
sonderer Art bezeichnet werden, als eine Reichseinrichtung, 
nicht als eine Emrichtung des Landes. Die weittragende 
Bedeutung dieses Schlusses liegt darin, daß wir es hier mit einem 
neuen gemeinsamen Reichsorgane zu tun haben, welches in seiner 
Organisation und in seinem Wirken das Prinzip des Dualismus 
nicht mehr erkennen läßt, ja es sogar negiert. Hier ist es nicht 
mehr möglich, weder formell noch materiell, von einem öster- 
reichisch-ungarischen Doppelwillen zu sprechen, wie es die Theo- 
rie nicht nur bezüglich der Willensakte der Delegationen, sondern 
auch hinsichtlich jener des Monarchen und der Reichsminister tut °°. 
Diese Eigenart des bosnischen Parlaments tritt besonders beim Ver- 
gleiche mit den Delegationen zutage. Beides sind Formen des Re- 
präsentativsprinzips, beide sollen im Zusammenwirken von Volks- 
vertretung und Monarchen obersten staatlichen Willen im Inter- 
esse der Gesamtmonarchie bilden. Während aber bei den Dele- 
gationen sowohl in ihrer Organisation, in der Berufung ihrer 
Mitglieder, als auch in ihren Funktionen, ihrer beschränkten 
Kompetenz und in der Durchführung ihrer Beschlüsse der 
Grundsatz mit möglichstem Nachdrucke hervorgehoben erscheint, 
daß es immer zwei nebeneinander für verschiedene Staatsge- 
biete, wenn auch für gemeinsame Interessen der beiden Staats- 
wesen wirkende Staatswillen sind, die da in Erscheinung treten, 
ist im bosnischen Landtage in einer keinem Zweifel und keiner 
dualistischen Konstruktion Raum gebenden Weise die innere und 
äußere Einheit des für die Monarchie im Annexionsgebiete zu 
  
2 Vgl, dazu HAUKE, Grundriß S. 159.
	        
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