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baren Befehlsgewalt innerhalb eines zur Monarchie gehörenden
Territoriums; im Besitze einer umfassenden Verordnungs-, Ver-
fügungs- und Entscheidungskompetenz gegenüber den Untertanen!
Durch diese neuen oberbehördlichen Funktionen des Reichsfinanz-
ınınisters wird namens der österreichisch-ungarischen Monarchie
eine inhaltlich unzerlegbare, nicht nur abstrakte, sondern auch
die einzelnen konkreten Fälle bestimmende Herrschaftsgewalt
ausgeübt und zwar über eine territorial abgegrenzte, nicht Oester-
reich und nicht Ungarn, wohl aber der Monarchie zugehörige
Bevölkerung. Das ist nichts anderes als einheitliche Reichsge-
walt in der Hand eines Reichskanzlers!
Das wesentlichste Werkzeug der Exekutivgewalt ist das
stehende Heer, welches in keinem modernen Staate fehlt. Bos-
nien-Herzegowina hat selbst keine bewaffnete Macht. Es gibt
nur kaiserliche und königliche Truppen, die im Lande garniso-
nieren und einen integrierenden Bestandteil des österreichisch-
ungarischen Heeres bilden. Ebenso bilden die Truppen, welche
in Bosnien-Herzegowina kraft des für die ganze Monarchie gleich-
artigen Wehrrechtes ausgehoben werden, nur einen Bestandteil
des k. u. k. Gesamtheeres und können beliebig in jedem Teile
der Monarchie verwendet werden ?°.
JELLINEK hat in seinen „Staatsfragmenten“ ?® die Macht zur
Selbstorganisation als ein entscheidendes Merkmal für
den staatlichen Charakter einer Gebietskörperschaft nachgewiesen.
Auch diese rechtliche Macht fehlt dem Annexionslande. Sehen
wir ganz davon ab, daß die Liandesgesetzgebung gar nicht als
eine Gesetzgebung des Landes angesehen werden kann. Es ge-
nügt die Feststellung, daß die gesamte Gesetzgebung betreffend
22 ‚Die bosnisch-herzegowinischen Truppen sowie die sonstigen mili-
tärischen Organisationen Bosniens und der Herzegowina bilden einen or-
ganischen Teil der Wehrmacht der Monarchie.* $ 1, Schlußsatz des bosn.
Landesstatuts.
23 JELLINEK „Ueber Staatsfragmente* S. 266 ff.